Der im Bauplanungsrecht als originäre Aufgabe umschriebene Schutz vor Überschwemmungsschäden durch Festsetzung- und Darstellungsmöglichkeiten (§§ 5 Abs. 2 Nr. 7, 91 Nr. 16 BauGB) wird bezüglich baulicher Anlagen in § 16 MBO, dem die Landesbauordnungen entsprechen, in der Weise bestimmt, dass die baulichen Anlagen so anzuordnen, zu errichten und zu unterhalten sind, dass durch Wasser "Gefahren oder unzumutbare Beeinträchtigungen" nicht entstehen können (vgl. auch Lüers, UPR 1996, 241; Ewer, NJW 2002, 1497, 1500). Das gibt auch den Maßstab für die Planung, Errichtung und Unterhaltung von Straßen vor, wobei die Leistungspflicht hinsichtlich der Entwässerung und dem sich daraus ergebenden Schutz vor Überschwemmungsschäden nicht an die den Bund treffende Straßenbaulast, sondern an die Verwaltung durch das jeweilige Bundesland anknüpft (vgl. auch Kodal/Herber, Straßenrecht, 7. Aufl., Rn 179.1).
1. Der "Sündenfall", der zu einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und einem darauf beruhenden haftungsbegründendem Überschwemmungsschaden geführt hat, hat sich daraus ergeben, dass die Abflussverhältnisse nach ursprünglicher Planung und Errichtung des Abflussgrabens durch zwei Änderungen der Abflussrichtungen um jeweils 90 Grad in der Weise ungünstig beeinflusst worden sind, dass eine unzureichende Dimensionierung und eine deutlich gesteigerte Überschwemmungsgefahr eingetreten sind (vgl. Rn 13).
Geht man von veröffentlichten Entscheidungen aus, drängt sich der Schluss auf, das gerade nachträgliche Veränderungen der Abflussverhältnisse zu einer Steigerung der Überschwemmungsgefahr führen können. Dass im Planungs- und Errichtungsstadium eine unzureichende Dimensionierung und Kapazität der Entwässerung zugelassen wird, dürfte bei der im Planungsstadium anzunehmenden Schätzung dieser Größen, die an Berechnungsregenereignisse und topographische Gegebenheiten wie Hanglage und Bodenversiegelung anknüpft und Toleranzen berücksichtigt, seltener Fehler aufweisen. Ursache von später auftretenden Überschwemmungsschäden werden häufig nachträgliche Ereignisse sein, die zu einer Überschwemmung führen können. Schon bei der Planung der Entwässerung durch Kanalisation muss sich schon aus wirtschaftlichen Gründen die Dimensionierung daran ausrichten, dass sich die nur im Bebauungsgebiet anfallenden Niederschläge und Abwässer ableiten lassen (vgl. zur Planung und Dimensionierung auch Kodal/Herber, a.a.O. Rn 180.1 und 180.2).
2. Die Entwässerungsverhältnisse und damit die Anforderungen an eine die Überschwemmung verhindernde Gestaltung können sich durch nachträgliche, dem Verkehrssicherungspflichtigen – zunächst – verborgen gebliebene Gestaltung der Entwässerung verändern.
So kann es – ohne ein Zutun Dritter – zu einem Rückstau mit der Folge einer Überschwemmung dadurch kommen, dass eine Entwässerungsanlage durch Wurzelwerk verstopft wird (vgl. BGH VersR 1968, 555). Im Zuge der Ausweitung eines neuen Baugebiets wird durch die Entwässerung einer neu errichteten Verbindungsstraße das zusätzlich anfallende Oberflächenwasser gesammelt und in einen Straßengraben abgeleitet, dessen Sohle undicht ist, so dass Wasser in den Untergrund gelangt und Durchfeuchtungsschäden an einem tiefer gelegenen Grundstück auftreten (vgl. BGH NJW 1996, 3208). Überschwemmungen können auch darauf zurück zu führen sein, dass zum Zeitpunkt der Planung der Entwässerung noch nicht abgeschlossene Straßenbaumaßnahmen in einem Neubaugebiet durchgeführt werden, die die Abflussverhältnisse des Niederschlagwassers mit der Folge von Überschwemmungsschäden verstärken (BGH VersR 1982, 772). Die Verlegung eines Gewässers und die Neugestaltung einer Uferanlage können zu einer Steigerung der Überschwemmungsgefahr führen (BGH VersR 1985, 492).
Dass der Verkehrssicherungspflichtige die Entwässerung des Grundstücks unter Berücksichtigung der ihm bekannten und auch genehmigten Bebauung hergestellt hat, bietet damit keine Gewähr für eine ausreichende Entwässerung. Stellt sich später heraus, dass durch ungenehmigte Maßnahmen auf Anliegergrundstücken oder wegen Veränderungen der Abflussgräben eine Verschlechterung der Entwässerung stattfindet, muss der Verkehrssicherungspflichtige die Entwässerungsanlage "ohne schuldhaftes Zögern" diesem Wasseranfall anpassen (vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 1984, 1173).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 4/2014, S. 196 - 199