Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen enthält eine doppelte Schutzfunktion: Einmal dient es der Sicherung der Gradlinigkeit und Unabhängigkeit anwaltlicher Berufsausübung, andererseits auch der Wahrung des individuellen Vertrauensverhältnisses zum eigenen Mandanten.
Die Möglichkeiten des Interessenkonflikts sind ebenso vielschichtig wie unübersichtlich.
In Zweifelsfällen sollte daher eine Mehrfachvertretung vermieden werden, da es nicht als gesichert angesehen werden kann, dass die hier vertretene Auffassung von allen Rechtsanwaltskammern geteilt wird.
Die kritisierte Entscheidung des BayObLG vom 29.9.1994 dürfte nach heutiger Rechtsaufassung keinen Bestand mehr haben können, da die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Versicherer des vorher vertretenen Fahrers bereits keine widerstreitenden Interessen betraf. Allein der Umstand, dass der Haftpflichtversicherer die Ansprüche der Beifahrerin regulierte, befreite den beteiligten Fahrer von seiner Schadenersatzpflicht gegenüber der Beifahrerin. Im Übrigen hatte auch hier die Beifahrerin die Möglichkeit, den Anwalt anzuweisen, nur die Direktansprüche gem. § 115 VVG (damals § 3 Abs. 3 PflVG) gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend zu machen.
Der Hinweis von Kääb – langjähriges Mitglied des Vorstands der Rechtsanwaltskammer München – ist zwar zutreffend, dass bei einer Mithaftung der gegnerische Haftpflichtversicherer Ausgleichsansprüche beim "eigenen" Haftpflichtversicherer geltend machen kann. Aber auch diese Ausgleichsansprüche richten sich nicht gegen den "eigenen" Fahrer oder Halter, sondern ausschließlich gegen den Haftpflichtversicherer, der im Innenverhältnis allein zum Schadenersatz verpflichtet ist.
Ebenso ist die Rechtsauffassung von Höfle – langjähriges Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Frankfurt – unzutreffend, die Vertretung mehrerer Unfallbeteiligter sei in jedem Falle Parteiverrat, da er die Parteiautonomie der Beteiligten und den Unterschied zwischen konkurrierenden und widerstreitenden Interessen verkennt.
Der Autor hat sich bereits vor 10 Jahren mit der Problematik der Vertretung mehrerer Unfallbeteiligter befasst und ist zu einem Ergebnis gekommen, welches durch die aktuelle Rechtsprechung des BGH bestätigt wird:
"Die Vertretung mehrerer Unfallbeteiligter im allseitigen Einvernehmen ist grundsätzlich zulässig. Allein die abstrakte Möglichkeit, dass durch die Schadenregulierung die Interessen eines Beteiligten berührt werden könnten, reicht nicht aus."
Autor: RA Dr. Hubert van Bühren, FA für Versicherungsrecht, Köln
zfs 4/2014, S. 189 - 194