Halter, Fahrer und Fahrzeuginsassen, die gegen den Unfallgegner Ansprüche geltend machen, verfolgen dasselbe Ziel, es handelt sich um gleichgerichtete Ansprüche, bei denen von Anfang an die Geltendmachung von Ansprüchen auf den Unfallgegner beschränkt wird. Widerstreitende Interessen bestehen nicht, ein denkbarer Interessenkonflikt führt bei Einwendungen des Anspruchsgegners noch nicht zu einem Vertretungsverbot.
1. Alleinhaftung des Unfallgegners
Wenn eindeutig feststeht, dass der Unfallgegner beispielsweise wegen einer Vorfahrtsverletzung allein haftet, ist die gemeinschaftliche Vertretung des Halters, des Fahrers und der übrigen Fahrzeuginsassen am wenigsten problematisch. Die Regulierung durch die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners hat keinerlei Einfluss auf die Regulierung der Schäden aller Beteiligten. Die bisweilen geäußerte "Befürchtung", die Versicherungssumme könne nicht ausreichen, dürfte nur von theoretischer Natur sein, da die Mindestversicherungssumme zwischenzeitlich EUR 7,5 Mio. beträgt.
2. Quotale Haftung des Unfallgegners
Problematisch kann die Vertretung aller Unfallbeteiligten sein, wenn davon auszugehen ist, dass die Ansprüche beim Gegner nur mit einer Quote durchzusetzen sind. Dies ist regelmäßig bei einem Zusammenstoß zwischen einem Überholenden und einem nach links abbiegenden Fahrzeug der Fall. Die gemeinschaftliche Vertretung von Halter und Fahrer wirkt sich nicht nachteilig aus, da beiden die jeweilige Quote zugesprochen wird und beide das gemeinsame Interesse haben, eine möglichst hohe Haftungsquote des Unfallgegners durchzusetzen.
Ganz anders verhält es sich bei den Ansprüchen der Fahrzeuginsassen, die ihrer Ansprüche gegen den Unfallgegner bzw. dessen Haftversicherung aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung in vollem Umfang durchsetzen können.
Peitscher verweist in diesem Zusammenhang auf § 67 Abs. 1 VVG a.F. (nunmehr § 86 VVG), der einen Forderungsübergang bei der Schadenregulierung vorsieht. Peitscher übersieht, dass es sich hier um eine versicherungsrechtliche Regelung handelt, die nur den Versicherungsnehmer betrifft, nicht jedoch den Geschädigten, der außerhalb des Vertragsverhältnisses steht. Gleichwohl ist der in diesen Überlegungen zu findende Grundgedanke diskussionswürdig: Wenn der gegnerische Haftpflichtversicherer den Schaden von Fahrzeuginsassen vollständig reguliert, kann er den Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 BGB gegen den Haftpflichtversicherer des anderen beteiligten Fahrzeugs geltend machen. Zwar bleibt auch insoweit der Haftpflichtversicherer vorleistungspflichtig, Halter und Fahrer brauchen selbst keine Zahlungen zu leisten, es ist jedoch eine Höherstufung der Versicherungsprämie zu befürchten, wenn der ("eigene") Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen wird.
Aber auch insoweit handelt es sich allenfalls um einen potenziellen Interessenwiderstreit, da bei einer quotalen Haftung die Höherstufung in der Rabattklasse des Halters bereits aufgrund der Regulierung der Ansprüche der Gegenseite erfolgt.
Nur in Ausnahmefällen kann ein Interessenwiderstreit bestehen, wenn ausschließlich Fahrzeuginsassen Ansprüche geltend machen und das gegnerische Fahrzeug nicht beschädigt wird. Soweit also die Höherstufung in der Rabattklasse ausschließlich aufgrund der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch Fahrzeuginsassen erfolgt, könnte die Interessenlage unterschiedlich sein, wenn Halter und/oder Fahrer der Auffassung sind, die Fahrzeuginsassen seien überhaupt nicht verletzt worden. Im Regelfall ist jedoch nicht von widerstreitenden Interessen auszugehen, da bei einer Mithaftung des Fahrers und/oder des Halters diese froh sind, wenn sie durch ihren Haftpflichtversicherer von der eigenen Schadenersatzpflicht gegenüber den Fahrzeuginsassen befreit werden.
Denkbar ist auch ein weiterer Interessenkonflikt dahingehend, wenn der verletzte Insasse eine Erhöhung des Schmerzensgeldes mit der Begründung verlangen sollte, dass "sein" Fahrer besonders rücksichtslos und grob fahrlässig den Unfall herbeigeführt habe. Aber auch diese Konstruktion ist ausgesprochen selten und muss bei der Mandatsannahme mit allen Beteiligten abgestimmt werden.
Bei der Vertretung mehrerer Unfallbeteiligter nach einem Unfall gilt ohnehin analog die Regelung § 3 Abs. 2 S. 1 BORA, dass diese gemeinschaftliche Vertretung nur in Abstimmung mit allen Beteiligten erfolgen darf, nachdem diese umfassend über eine mögliche spätere Interessenkollision belehrt worden sind.