StGB § 316
Leitsatz
Ein Berufskraftfahrer weiß um die besonderen Gefahren einer Alkoholaufnahme vor Fahrtantritt und nimmt deshalb in der Regel seine Fahruntauglichkeit in Kauf, wenn er trotz Alkoholkonsums eine Fahrt antritt.
OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2013 – 32 Ss 169/13
1 Aus den Gründen:
" … Das AG hat die Angekl. wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt, ihr die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperre von sechs Monaten für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis festgesetzt. Es hat festgestellt, die Angekl. sei als Taxifahrerin tätig und hatte am Tatabend Fahrbereitschaft. Kurz vor Mitternacht habe sie mit dem Taxi öffentliche Straßen befahren und Fahrgäste befördert, obwohl sie Alkohol in einer Menge zu sich genommen hatte, die zu einer BAK von 2,14 ‰ führte. Die Angekl. räumt den Tatvorwurf ein, wendet sich allerdings gegen die Verurteilung wegen vorsätzlichen Verhaltens."
Damit dringt sie nicht durch. Soweit der Senat bereits zur Annahme eines Erfahrungssatzes dahin neigt, dass ein Kraftfahrer, der nach hohem Alkoholkonsum eine Fahrt mit einem Kfz antritt, seine Fahruntauglichkeit jedenfalls in Kauf nimmt und vorsätzlich handelt (zum Stand der Rspr. vgl. nur Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 316 Rn 192 ff. und Fischer, StGB, 60. Aufl., § 316 Rn 44 ff.), kommt es darauf hier nicht an. Die Angekl. hat, ohne dass die genaue Menge feststellbar gewesen wäre, während einer Fahrbereitschaft als Taxifahrerin Alkohol zu sich genommen, obwohl sie als Berufskraftfahrerin um die besonderen Gefahren eines solchen Verhaltens wusste. Dies allein begründet nach allgemeiner Auffassung schon die Annahme eines jedenfalls bedingt vorsätzlichen Verhaltens (vgl. OLG Saarbrücken NJW 2008, 1396; OLG Köln DAR 1997, 499, DAR 1999, 88; OLG Celle, 1. Strafsenat NZV 1996, 205; Fischer, a.a.O., Rn 45). … “
Mitgeteilt vom 2. Strafsenat des OLG Celle
2 Anmerkung:
Für eine Trunkenheit nach § 316 Abs. 1 StGB ist vorsätzliches Handeln erforderlich, wobei nach allgemeinen Grundsätzen bedingter Vorsatz genügt. Dieser Vorsatz muss insb. die rauschbedingte Fahruntüchtigkeit umfassen, was keine Kenntnis einer konkreten BAK voraussetzt (BeckOK StGB/Kudlich, § 316, Rn 7; Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., 2010, § 316, Rn 23).
Allgemeinen gibt es keinen Erfahrungssatz, dass ab einer bestimmten BAK stets Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit vorliegt (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., 2013, § 316 StGB, Rn 76; OLG Hamm, NZV 2005, 161; Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis und Alkohol, 5. Aufl. 2010, 1.E.5, Rn 247 ff.), und überwiegend wird auch die Annahme abgelehnt, allein aufgrund eines hohen BAK-Wertes sei von Vorsatz auszugehen (OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.7.2010 – (2) 53 Ss 40/10 (21/10), jurisPR-VerkR 25/2010 Anm. 5).
Daneben gibt es aber noch andere Aspekte, die einen Rückschluss aus den vorhandenen Indizien auf vorsätzliches Handeln erlauben, etwa einschlägige (insb. relativ zeitnahe) Vorstrafen bei vergleichbarem Sachverhalt (OLG Saarbrücken, NJW 2008, 1396; Freyschmidt/Krumm, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, 10. Aufl., 2013, Rn 234) oder Verhaltensweisen während der Fahrt selbst (König, a.a.O., Rn 78 m.w.N.).
Das OLG Jena berücksichtigt nun einen Aspekt der Persönlichkeit des Fahrers, nämlich dessen Berufserfahrung in der Personenbeförderung im Zusammenhang mit den ebenso bekannten Wirkungen der Alkoholaufnahme während oder kurz vor dieser Tätigkeit. Dieses "Trinken in Fahrbereitschaft" wurde bereits durch das OLG Köln (DAR 1999, 88) als mögliches Indiz benannt, so dass die jetzige Entscheidung keine bahnbrechende Neuerung beinhaltet (wenngleich sich diese Fallgestaltung in nahezu keinem Kommentar/Lehrbuch findet), aber für den Verteidiger bei entsprechenden Berufsgruppen als Angeklagten argumentative Mehrarbeit ansteht.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 4/2014, S. 228 - 229