Zur Zeit ist beim EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig, in dem es um die Frage geht, ob einer deutschen Fahrerlaubnisbehörde die Befugnis zukommt, einem nicht im Bundesgebiet wohnenden Unionsbürger die EU-/EWR-Fahrerlaubnis zu entziehen, womit der Betroffene von dieser in Deutschland keinen Gebrauch machen darf. Das betrifft die Fallgestaltung, dass Eignungsbedenken nach den Regeln des Aufenthaltsstaats aufgrund von Umständen nach Erteilung der EU-/EWR-Fahrerlaubnis verwirklicht wurden. Hätte der Fahrerlaubnisinhaber einen Wohnsitz im Aufenthaltsstaat, dürfte die Führerscheinbehörde dieses Staats den Eignungszweifeln nach nationalem Recht nachgehen und auch die Gültigkeit der Fahrerlaubnis in diesem Land aberkennen. Denn die maßgeblichen Umstände wurden nach Erteilung der EU-/EWR-Fahrerlaubnis verwirklicht. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht in diesen Fällen die Erteilung einer Fahrerlaubnis durch einen anderen EU-Mitgliedstaat der Geltendmachung von Eignungszweifeln nach nationalem Recht nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht Augsburg hat hierzu entschieden, dass unter Berufung auf Art. 8 Abs. 2 der Zweiten Führerschein-Richtlinie nur die Behörden des Mitgliedstaats des ordentlichen Wohnsitzes zu einer Einschränkung, Aussetzung, Aufhebung oder einem Entzug einer EU-/EWR-Fahrerlaubnis berechtigt sind. Dieses Gericht hat damit die sachliche Zuständigkeit der Behörden des Aufenthaltsstaats, in dem kein ordentlicher Wohnsitz besteht, für solche Maßnahmen verneint.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen betont in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH, dass ein effektiver Schutz vor der Teilnahme fahrungeeigneter Personen auch in einem solchen Fall durch die Behörden des Aufenthaltsstaats erreicht werden müsse. Auch nach mehr als 20 Jahren seit Inkrafttreten der Zweiten Führerschein-Richtlinie sei weder das europäische Fahrerlaubnisrecht harmonisiert noch Informationspflichten und Reaktionszeiten der Mitgliedstaaten geregelt. Wäre allein der Ausstellerstaat zu entsprechenden Maßnahmen gegenüber einer EU-/EWR-Fahrerlaubnis befugt, hätten diese Punkte spätestens in der Dritten Führerschein-Richtlinie geregelt werden müssen, um eine effektive Reaktion gegenüber ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern sicherzustellen. Beiden Fällen lagen Eignungszweifel aufgrund von Cannabiskonsum zugrunde.
Der Generalanwalt hält das Vorgehen der nationalen Verkehrsbehörden des Staats, in dem der Betreffende keinen ordentlichen Wohnsitz unterhält, dort aber von der Fahrerlaubnis Gebrauch macht, in einem solchen Fall von der Regelung in Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Dritten Führerschein-Richtlinie für gedeckt. Nur so könne die Verkehrssicherheit gefördert werden. Weiter seien Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 1 und 3 der Dritten Führerschein-Richtlinie, in denen der Ausstellerstaat tätig werde, vom Anwendungsbereich des Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Dritten Führerschein-Richtlinie zu trennen. Diese Norm bezwecke auch eine strengere Regelung als die Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 der Zweiten Führerschein-Richtlinie.
Die Entscheidung des EuGH bleibt abzuwarten.
Es ist jedoch zu bezweifeln, ob damit ein zahlenmäßig ins Gewicht fallender neuer Problemkreis des "Führerscheintourismus" zu besorgen ist.