" … Entgegen diesem Vorbringen ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Kl. am 10.1.2013 ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 2,41 ‰ geführt hat. …"
Das Sitzen auf einem rollenden Fahrrad stellt ein Führen dieses Fahrrads dar, weil ein rollendes Fahrrad mit einer darauf sitzenden Person offensichtlich des Führens bedarf. Das VG hat hierzu ausgeführt, dies gelte unabhängig davon, ob die Bewegungsenergie aus einem aktuellen Betätigen der Pedale gezogen werde, aus einer vorhergehenden Pedalbewegung herrühre oder etwa nur aus der Schwerkraft beim Befahren einer Gefällstrecke. Kennzeichnend für das Führen eines Fahrzeugs sei, dass die Räder rollten, also ein eigenständiger Bewegungsvorgang des Fahrzeugs ausgelöst worden sei, was bei einem Fahrrad dann anzunehmen sei, wenn sich Fahrer und Fahrrad zusammen bewegten und der Bodenkontakt mit beiden Füßen gelöst sei.
Daran bestehen keine ernstlichen Zweifel. Die Auffassung entspricht der Rspr. zu § 316 StGB und der Kommentarliteratur zu dieser Vorschrift. Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH v. 27.10.1988 (4 StR 239/88, BGHSt 35, 390) kann in Abgrenzung zur bloßen Vorbereitung Führer eines Fahrzeugs nur sein, wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind. Es muss also jemand, um Führer eines Fahrzeugs sein zu können, das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzen oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenken (ebenso Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, § 315c Rn 3a). Führer ist auch, wer nur einzelne dieser Tätigkeiten vornimmt, jedenfalls solange es sich dabei um solche handelt, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre (BGH, Beschl. v. 18.1.1990 – 4 StR 292/89, BGHSt 36, 341). Auch zum Begriff des Führens eines Kfz ohne Fahrerlaubnis hat der BGH entschieden, dass es auf den “Bewegungsvorgang‘ (Urt. v. 9.7.1959 – 2 StR 240/59, BGHSt 13, 226) oder das “Abrollenlassen‘ eines Kfz (Beschl. v. 29.3.1960 – StR 55/60, BGHSt 14, 185) ankommt, wobei der Motorkraft als Ursache der Bewegung keine Bedeutung zukommt. Daher führt auch der, der ein Mofa fortbewegt, indem er sich – auf dem Fahrersattel sitzend – mit den Füßen vom Boden abstößt, ein Fahrzeug (OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.9.1981 – 2 Ss 426/81, VRS 62, 193).
Soweit das VG unter Berufung auf die Kommentierung von König in Hentschel/Dauer/König (Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 316 StGB Rn 4) ausgeführt hat, dass, einen Bewegungsvorgang vorausgesetzt, ein Fahrzeug nur führt, wer beim Besteigen eines Fahrrads mit beiden Füßen den Bodenkontakt gelöst hat, dient das nur der Abgrenzung zur straflosen Vorbereitungshandlung. Rollt ein Fahrrad mit einer darauf sitzenden Person, ergibt sich damit automatisch, dass der Bodenkontakt mit den Füßen “gelöst‘ ist; ansonsten würden die Füße während der Bewegung des Fahrrads auf dem Boden “schleifen‘, was zwar möglich ist, aber letztlich dem Führen eines Fahrrads nicht entgegensteht, weil es auch dann noch geführt, also gelenkt werden muss. Der Kl. hat auch nicht vorgetragen, dass sich das Fahrrad, während er hierauf saß, gegen seinen Willen in Bewegung gesetzt habe.
Der Bekl. konnte daher aufgrund der Nichtvorlage des zu Recht geforderten Gutachtens gem. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Nichteignung des Kl. zum Führen von Kfz schließen und den Antrag des Kl. auf Erteilung einer Fahrerlaubnis gem. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG, § 11 Abs. 1 S. 1 FeV ablehnen. Daher kommt es nicht mehr darauf an, ob die Fahrerlaubnisbehörde vor Erteilung einer Fahrerlaubnis an den Kl. ein Fahreignungsgutachten nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV vom Kl. verlangen kann, weil dem Kl. wegen des Führens eines Kfz im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,52 ‰ am 26.4.2012 strafgerichtlich die Fahrerlaubnis entzogen wurde (vgl. VGH BW, Beschl. v. 15.1.2014 – 10 S 1748/13, [zfs 2014, 235 u. 479 =] Blutalkohol 51, 31; BVerwG, Beschl. v. 24.6.2013 – 3 B 71.12, [zfs 2013, 593 =] NJW 2013, 3670). Darüber hinaus durfte die Behörde wegen der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens auf die Nichteignung des Kl. zum Führen von Fahrrädern schließen und ihm gem. § 3 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 FeV das Führen von Fahrrädern verbieten. … “
Mitgeteilt von VRiBayVGH Dr. Klaus Borgmann, München