Drei wichtige Punkte sollten aus dieser Entscheidung im Gedächtnis bleiben.
Zunächst die Fristen für die Einlegung der Rechtsbeschwerde: Hier gilt Revisionsrecht. Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beginnt daher am Tag nach Ablauf der Einlegungsfrist. Anders als nach § 188 Abs. 2 BGB ist der Tag des Beginns der Monatsfrist nicht mitzuzählen (BGHSt 36, 241 = BGH NJW 1990, 460; BeckOK StPO, § 345, Rn 6).
Dann die schon oft zitierte "Fürsorgepflicht" des Gerichts: Über die allgemein übliche Wartezeit bis zum Erlass des Verwerfungsurteils auf das Erscheinen des Betr. zu warten, gebietet die Fürsorgepflicht des Gerichts nur, sofern der Betr. sein alsbaldiges Erscheinen innerhalb angemessener Zeit angekündigt hat oder sonst damit zu rechnen ist (OLG Jena NJW-Spezial 2012, 43; KG Berlin VRS 123, 291). Insb. bei überraschender Abwesenheit des Betr. gebietet die Fürsorgepflicht, sich nach Faxeingängen oder Anrufen nicht nur bei der Geschäftsstelle, sondern ggf. auch beim Zentralfax des Gerichts zu erkundigen. Diese Nachfrage ist dann im Protokoll bzw. im Urteil zu dokumentieren (KG Berlin VRR 2012, 195). Nur wenn dem Gericht ein weiteres Zuwarten wegen anstehender weiterer Termine nicht zumutbar ist, gebührt dem Gebot der termingerechten Durchführung der Hauptverhandlung der Vorrang. Im vorliegenden Fall stellt das KG aber auf zwei Besonderheiten ab: einmal die Größe des AG Tiergarten, die eine Erkundigung außerhalb der Geschäftsstelle nicht zumutbar erscheinen lässt (was umgekehrt natürlich bei kleineren Gerichten gerade darauf schließen lässt, dass sehr wohl eine Erkundigungspflicht angenommen werden könnte). Der andere Aspekt ist die Kausalität: Wenn der Schriftsatz zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch gar nicht in der Geschäftsstelle hätte eingesehen werden können, kann eine kausale Rechtsverletzung nicht bejaht werden. Eine interessante Argumentation, die natürlich als Folgefrage die interne Organisation einer Behörde betrifft: Wieso braucht vorliegend ein Fax mehr als 24 Stunden, um zur zuständigen Geschäftsstelle zu gelangen? Kann dies dem Betr. wirklich entgegengehalten werden?
Ergänzend zur Fürsorgepflicht: Diese wird noch angenommen, wenn ein Entbindungsantrag ohne Vertretungsvollmacht gestellt wird und das Gericht diesen trotz fehlender Verbescheidungspflicht ablehnt (OLG Zweibrücken zfs 2011, 708; OLG Bamberg zfs 2011, 590).
Schließlich verbleibt die Frage, was in einem Verwerfungsurteil thematisiert werden muss. Es handelt sich um ein Prozessurteil, so dass keine Ausführungen zum Tatvorwurf und möglichen Einwendungen hiergegen erfolgen müssen, sondern nur Entschuldigungsgründe oder Einwendungen gegen § 74 Abs. 2 OWiG selbst (NK-GVR/Krenberger, 1. Aufl., 2014, § 74 OWiG, Rn 21), sofern für den Tatrichter zum Zeitpunkt der Verwerfungsentscheidung keine Entschuldigungsgründe erkennbar waren, solche auch nicht im Urteil erwähnt werden müssen, um dieses einer rechtlichen Nachprüfung zugänglich zu machen (OLG Jena, NJW-Spezial 2012, 43).
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 4/2015, S. 232 - 234