StVO § 3; StVG § 25; BKatV § 4
Leitsatz
Der Zeitablauf allein von weniger als zwei Jahren rechtfertigt noch nicht das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Schleswig, Beschl. v. 30.9.2014 – 1 Ss OWi 171/14 (177/14)
1 Aus den Gründen:
" … Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Betr. wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße i.H.v. 175 EUR und die Verhängung eines Fahrverbots von einem Monat."
Insb. ist nicht zu beanstanden, dass die Ausführungen des AG hinsichtlich der Verhängung eines Fahrverbots lückenhaft seien. Soweit der Betr. mit seiner Rechtsbeschwerde und auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme v. 22.9.2014 bemängeln, dass das AG die Frage, ob von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, lediglich unter dem Gesichtspunkt einer Existenzgefährdung oder anderweitiger besonderer Härten geprüft und nicht bedacht habe, dass wegen des Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf andere Weise als durch ein Fahrverbot erreicht werden könne, teilt der Senat diese Bedenken nicht.
Der Zeitablauf allein von weniger als zwei Jahren rechtfertigt noch nicht das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt. Das AG hat richtig gesehen, dass bei Vorliegen besonderer Umstände von der Verhängung des Regelfahrverbots abgesehen werden kann und hat sich dabei ausführlich mit der Frage befasst, ob Umstände vorliegen, die gegen eine grobe Pflichtverletzung sprechen oder für eine Existenzgefährdung oder anderweitige besondere Härten sprechen könnten, und diese verneint. Es hat dabei entscheidend darauf abgestellt, dass durch das Schweigen des Angekl. insg. keine Gesichtspunkte dafür bekannt geworden seien, dass hier von dem Regelfahrverbot abzusehen sei. Ohne dies ausdrücklich auszusprechen, umfasst die Argumentation des AG damit aber alle Umstände, die allein anhand der Angaben des Betr. aufgedeckt werden können. Dafür, dass der Betr. durch die relativ lange Verfahrensdauer so beeindruckt worden sei, dass der Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf andere Weise als durch ein Fahrverbot erreicht werden könne, kann ohne entsprechende Angaben des Betr. nichts festgestellt werden. Für diese Annahme spricht auch nach den Urteilsgründen nichts. Vielmehr drängt sich wegen der großen Zahl (acht) auch einschlägiger früherer Verkehrsverstöße die Verhängung eines Fahrverbots geradezu auf, um den Betr. endlich zur Besinnung zu bringen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.“
Mitgeteilt von RA Stefan Busch, Lübeck
2 Anmerkung:
Das Thema Zeitablauf spielt dogmatisch vor allem bei der Frage der Erforderlichkeit der Anordnung eines Fahrverbots, also auf der Rechtsfolgenseite eine Rolle: Gem. der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 27, 36) stellt das Fahrverbot eine Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme dar und diese steht möglicherweise in Frage, wenn u.a. die zu ahndende Tat lange zurückliegt (OLG Hamm VRS 109, 118; OLG Hamm DAR 2011, 409; KG VRS 113, 69). Der erzieherische Sinn und Zweck der Maßregel wird jedenfalls dann als zweifelhaft angesehen, wenn der zu ahndende Verkehrsverstoß deutlich mehr als zwei Jahre zurückliegt (OLG Köln StraFo 2004, 287; OLG Rostock zfs 2001, 383; BayObLG NZV 2004, 100), wobei der Zeitraum zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung relevant ist (BayObLG NZV 1998, 82; OLG Stuttgart zfs 1998, 194; OLG Hamm DAR 2000, 580; OLG Brandenburg NZV 2005, 278; OLG Schleswig DAR 2000, 584).
Soll ein Einfluss des Zeitablaufs von weniger als zwei Jahren auf den Betr. diesem zum Vorteil, sprich Absehen von der Anordnung des Fahrverbots, gereichen, hat er dazu entsprechenden Vortrag zu erbringen. Das Gericht muss zwar insb. die Möglichkeiten des Absehens von der Anordnung des Fahrverbots inklusive der Erhöhung der Geldbuße nach § 4 Abs. 4 BKatV von Amts wegen prüfen, aber zu mehr als reinem Nachfragen ist das Gericht dabei nicht verpflichtet. In den Urteilsgründen muss deshalb auch nur zu finden sein, dass das Gericht der Prüfungspflicht eingedenk war und dass naheliegende Umstände geprüft wurden. Der Verteidiger muss sich also von vornherein darüber im Klaren sein, mit welchem Ziel er den Betr. vor Gericht vertreten möchte. Wenn es um eine Rechtsfolgenverteidigung geht, ist es unbedingt erforderlich, den Betr. wenigstens hilfsweise (d.h. nach vorrangigen Angriffen auf Tatbestandsebene) Angaben machen zu lassen, um dem Gericht die Prüfung von Umständen zu seinen Gunsten überhaupt zu ermöglichen.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 4/2015, S. 234 - 235