1. Die Abhängigkeit der Gestaltung der Berufungsbegründung von der Begründungstechnik des angefochtenen Urteils machen die vorausgehenden Entscheidungen des BGH deutlich. Liegen Berufungsanträge nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO vor, steht es fest, in welchem Umfang das Urteil angefochten wird.
Die darauf aufbauende Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO, ggf. ergänzt durch die folgenden Bestimmungen des Abs. 3, soll deutlich machen, aus welchen Gründen der Berufungsführer das erstinstanzliche Urteil für unrichtig hält. Die Zulässigkeit der Berufung hängt nicht davon ab, ob der geführte Angriff schlüssig ist, d.h. seine Wahrheit unterstellt, die Abänderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigt (vgl. BGH MDR 2012, 244; BGH NJW-RR 2003, 1580; BGH NJW 1999, 3784). Liegt eine auf den Streitfall zugeschnittene Darlegung vor, aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, ist die Berufung zulässig, ohne dass es darauf ankommt, ob der Angriff auch nur vertretbar oder schlüssig ist (vgl. BGH NJW 2013, 174; BGH NJW-RR 2004, 1716; BGH NJW 2003, 2531).
2. Ob ein formell ausreichender Angriff vorliegt, hängt von der Struktur des angefochtenen Urteils ab. Hatte das erstinstanzliche Gericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige Erwägungen gestützt, musste die Berufungsbegründung sich mit jeder dieser Erwägungen ablehnend auseinandersetzen, um die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu erreichen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.2.2015 – VI ZB 26/14). Stellt der Kl. nur einen der Abweisungsgründe in Frage, ist die Berufung unzulässig (vgl. BGH NJW 2002, 682, BGH MDR 2011, 933; Rn 8 ebd.; vgl. auch Hirtz, in: Eichele/Hirtz/Oberheim, Berufung in Zivilsachen, 4. Aufl., Rn 53). Die Struktur der erstinstanzlichen Entscheidung, die eine überschießende Begründung mit der Anführung unabhängiger Klageabweisungsgründe geliefert hat, erweitert den Begründungsaufwand für den Berufungsführer.
Gegenläufig ist der Fall, in dem die Klageabweisung allein auf die in dem angefochtenen Urteil angenommene Verjährung des Klageanspruchs gestützt wird (BGH, Urt. v. 10.3.2015 – VI ZR 215/14). Hier genügt es für die Zulässigkeit der Berufung, dass der Kl. vorträgt, die Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt. Wurde in dem angefochtenen Urteil offen gelassen, ob die Ansprüche bestanden, und ausgeführt, sie seien lediglich jedenfalls verjährt, muss die Berufungsbegründung nicht Stellung zu den etwaigen nicht geprüften Voraussetzungen der Ansprüche nehmen. Da es an Ausführungen hierzu in dem angefochtenen Urteil fehlt, ist eine Stellungnahme in der Berufungsbegründung ohnehin nicht möglich. Der BGH sorgt für knappe Ausführungen zu der Entscheidungserheblichkeit von behaupteten Rechtsverstößen in dem angefochtenen Urteil, wenn sich diese aus dem Urteil ergeben. So sah es der BGH als auf der Hand liegend an, dass die etwa rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigten Verursachungsbeiträge eines Fahrzeugführers sich auf das Ergebnis der Haftungsabwägung auswirken (BGH, Beschl. v. 10.3.2015 – VI ZB 28/14 im Anschluss an BGH NJW 2012, 3581 Rn 12).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 4/2016, S. 209 - 210