VVG § 6 Abs. 4
Leitsatz
Ein VR, der eine Beitragsänderung aufgrund des Erreichens von Altersgrenzen mitversicherter Kinder erkennt, muss den VN auf die Möglichkeit des Abschlusses günstigerer Ausbildungstarife hinweisen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG München, Beschl. v. 10.6.2015 – 25 U 945/15
Sachverhalt
Der Kl. unterhielt für sich und seine beiden, 2007 und 2009 das 20. Lebensjahr erreichenden Kinder bei der Bekl. eine Krankheitskostenversicherung. Tarifbedingt teilte die Bekl. zum jeweiligen Geburtstagsdatum eine Beitragsanpassung mit; in den von ihr mit überreichten umfangreichen Unterlagen war darauf hingewiesen, dass sie über günstige Ausbildungstarife verfüge. Der Kl. nahm die Beitragsanpassungen zunächst in Unkenntnis der günstigeren Tarife hin und verlangte später Erstattung der Prämiendifferenz.
2 Aus den Gründen:
" … 2.1.3. Zu Recht hat das LG sowohl nach der alten Rechtslage als auch nach der neuen Rechtslage eine Beratungspflicht der Bekl. dahingehend angenommen, dass die Bekl. die Kl. mit der Information über die Beitragsanpassung in Hinblick auf das Alter deutlich und klar darüber hätte informieren müssen, dass – sofern sich die Kinder noch in der Ausbildung befinden – der wesentlich günstigere Ausbildungstarif in Betracht kommt."
2.1.3.1. Eine solche Information durch die Versicherung ist veranlasst. An einer solchen Information besteht ein erkennbares Interesse der Versicherten. Zu Recht geht das LG davon aus, dass in sehr vielen Fällen, in denen 20 jährige über die Eltern mitversichert sind, diese jungen Erwachsenen sich noch in der Ausbildung befinden. Eine solche Konstellation ist nicht etwa ein Sonderfall, sondern der Regelfall. Sind junge Erwachsene mit 20 Jahren nicht mehr in der Ausbildung, so sind sie i.d.R. nicht mehr bei den Eltern mitversichert, sondern selbstständig versichert. Zu Recht geht das LG auch davon aus, dass das Erreichen der Altersstufe und die damit verbundene Beitragserhöhung einen konkreten Anlass für die Versicherung darstellt, auf die Möglichkeit des Ausbildungstarifs hinzuweisen. Es handelt sich vorliegend nicht um allgemeine Änderungen im Tarifgefüge wie in dem unter dem Az. 25 U 5019/04 entschiedenen Fall, für die es jedenfalls nach der Rechtslage für die Zeit vor dem 1.1.2009 keine anlassunabhängige Beratungsverpflichtung des VR gab. Das Erreichen der Altersgrenze führt im konkreten Vertragsverhältnis zu einer Änderung der Beitragshöhe; diese ist für sehr viele Versicherte durchaus wichtig; die Erhöhung kann – was, wie dargestellt, in der Mehrzahl der Fälle in Betracht kommt – ohne weiteres durch den deutlich niedrigeren Ausbildungstarif abgefedert werden.
2.1.3.2. Für die Bekl. war und ist das auch ohne weiteres erkennbar; der Aufklärungsbedarf ist offensichtlich; die Kl. kannte sich ersichtlich bei der Tarifgestaltung der Bekl. nicht aus. Daran ändern auch die – in diesem Punkt unübersichtlich gestalteten – “wichtigen Hinweise zur Beitragsanpassung’ nichts.
2.1.3.3. Eine solche – rechtzeitig vor der Beitragsumstellung zu erteilende – Information verursacht – auch im täglichen Massengeschäft – einen zu vernachlässigenden Aufwand. In den i.d.R. automatisiert abgesetzten Schreiben könnte, hervorgehoben gedruckt, der allgemeine Hinweis enthalten sein, dass sofern sich das jeweilige Kind noch in der Ausbildung befindet, der wesentlich kostengünstigere Ausbildungstarif in Betracht kommt. Alternativ könnte beim VN nachgefragt werden. Eventuelle Nachteile, wie nach wie vor die geringeren Leistungen des Jugendlichentarifs oder fehlende Altersrückstellungen mit ungünstigeren späteren Prämien, könnten entweder in allgemein gehaltener Form oder aber auf Nachfrage, wenn der VN nach dem Ausbildungstarif Erkundigungen anstellt, mitgeteilt werden. Entgegen der Auffassung der Berufung muss in einem solchen Hinweis nicht spezifiziert auf die Kinder eingegangen werden. Erforderlich ist lediglich, dass in hinreichender Deutlichkeit auf den Ausbildungstarif hingewiesen wird. Damit waren auch Recherchearbeiten, welche Kinder der Kl. betroffen sind, nicht geschuldet; eine einzelfallbedingte Beratung ohne Anlass ist nämlich nicht geschuldet. Wie dargestellt genügt der deutliche Hinweis auf den Ausbildungstarif, der auch vor einer Beitragsumstellung wegen Erreichens der Altersgrenze mit zu vernachlässigendem Aufwand möglich ist.
2.2. Die Bekl. ist ihrer Beratungsverpflichtung nicht nachgekommen.
2.2.1. Zutreffend hat das LG festgestellt, dass die Bekl. durch die allgemeinen Anschreiben den Eindruck erweckt hat, es handle sich um eine erforderliche Beitragsanpassung ohne Handlungsspielraum für die Kl.
So lautet das Anschreiben bezogen auf den Sohn Ch.: “ … damit dieser wesentliche Vertragsinhalt auch dauerhaft eingehalten werden kann, sind wir verpflichtet, die Beiträge an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Nur so können wir auf die sich stetig verändernden Kosten im Gesundheitswesen und eine geänderte Inanspruchnahme von Leistungen reagieren. Dabei kann es – abhängig vom vereinbarten Tarif – sowohl zu Beitragserhöhungen a...