Mit zunehmenden Verkaufszahlen muss die Frage beantwortet werden, ob die zu beobachtende stärkere Nutzung von Elektrofahrrädern (Pedelecs und E-Bikes) im Straßenverkehr mit einer wachsenden Verkehrsunfallbeteiligung korreliert.
Über Unfälle, bei denen infolge des Fahrverkehrs auf öffentlichen Wegen und Plätzen Personen getötet oder verletzt oder Sachschäden verursacht worden sind, wird laufend eine Bundesstatistik geführt. Sie dient dazu, eine aktuelle, umfassende und zuverlässige Datenbasis über Struktur und Entwicklung der Straßenverkehrsunfälle zu erstellen. Die Statistik erfasst dabei auch die beteiligten Verkehrsmittel nach Fahrzeugart; auskunftspflichtig sind die Polizeidienststellen, deren Beamte den Unfall aufgenommen haben.
Die Verkehrsunfallstatistik für die Bundesrepublik Deutschland unterschied bis einschließlich 2013 Elektrofahrräder im Einzelnen nicht; die Unfallbeteiligungen von E-Bikes resp. Pedelecs wurden unter den Schlüsselzahlen "01/02" (Kleinkrafträder/Mofa) oder der Schlüsselzahl "71" (Fahrrad) kumuliert. Mit Umlaufbeschluss der AG VPA vom 17.8.2011 wurden bundesstatistische Fachanforderungen des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) mit Einführung der Schlüsselnummern "03" für E-Bikes sowie "72" für Pedelecs angepasst; durch Vorbemerkungen konnten die Bundesländer eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2013 in Anspruch nehmen.
Erstmals für das Kalenderjahr 2014 konnte angesichts der etablierten Meldepflichten ein Verkehrsunfall-Lagebild für die Bundesrepublik Deutschland erstellt werden. Die im Folgenden dargestellte tabellarische Übersicht orientiert sich aus Vergleichsgründen an meldepflichtigen Verkehrsunfällen, bei denen Personen getötet oder verletzt wurden.
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E-Bikes |
Pedelecs |
Verunglückte |
306 |
2.223 |
Getötete |
2 |
39 |
Schwerverletzte |
85 |
624 |
Leichtverletzte |
219 |
1.560 |
Kleines Bonmot am Rande: Unter den Verunglückten befindet sich eine leicht verletzte Pedelec fahrende Person auf der Bundesautobahn.
Die gesonderte Erhebung von verunglückten Pedelec-Nutzern führt nicht zu einem Rückgang verunglückter Fahrrad fahrender Personen, ihre Anzahl stieg um ca. 7 %. Die Zahlen spiegeln den Ist-Stand wider; Tendenzen lassen sich vermutlich erst in den nächsten Jahren ablesen.
Andere Erkenntnisse lassen sich aus der Betrachtung der ausgewählten Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen schließen. Dort wurden die betroffenen Verkehrsbeteiligungen bereits seit 2012 separat statistisch erfasst sowie ausgewertet und können daher analytisch gesondert betrachtet werden:
Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurden diese Zahlen in ein relatives Verhältnis umgewandelt.
Eine weiter gehende Analyse der bundesweiten Verkehrsunfallstatistik offenbart zudem folgende Erkenntnisse:
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Pedelecs weisen eine deutlich höhere Unfallbelastung im Vergleich zu E-Bikes auf. Diese Feststellung korrespondiert den Verlautbarungen des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) zufolge mit einer Inlandsanlieferungsquote von 90–95 % zugunsten der Pedelecs. |
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43 % der Verunglückten setzen die Hauptursache für den Verkehrsunfall selbst. |
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54 % der verunglückten Pedelec Fahrenden sind über 65 Jahre alt. |
Das ausgewertete Datenmaterial lässt den Schluss auf ein sich rasant entwickelndes Verkehrsunfallphänomen zu und steht somit im diametralen Gegensatz zu bisher vorliegenden Forschungsergebnissen.
Auf diese Entwicklung müssen nun alle mit der Verkehrssicherheit befassten Organisationen angemessen reagieren.
Autor: Polizeihauptkommissar Bernd Huppertz, Köln und Polizeidirektor Joachim Kern, Bielefeld
zfs 4/2016, S. 190 - 194