"Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg, indem sie gem. §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das AG (§ 79 Abs. 6 OWiG) führt."
1. Das angefochtene Urteil ist auf die Verfahrensrüge der Verletzung des §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 261 StPO aufzuheben, dass die der Entscheidung u.a. zugrunde liegenden Ausdrucke aus Google-maps nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren.
Die Rüge ist vorliegend den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechend in zulässiger Weise erhoben worden. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft ihre gegenteilige Auffassung u.a. auf Entscheidungen des Senats stützt, beziehen sich diese ausnahmslos auf Urkunden. Nur insoweit ist aber der Beschwerdeführer gehalten, im Rahmen der Beschwerdebegründung auch auf das Nichtgebrauchmachen von Beweissurrogaten einzugehen. Ausweislich des Sitzungsniederschrift sind die (im Übrigen auch nicht ordnungsgemäß gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Bezug genommenen) Google-maps-Ausdrucke in der Hauptverhandlung nicht in Augenschein genommen worden. Da sich das AG wegen der Einzelheiten der Örtlichkeit maßgeblich auf die Darstellung in den Ausdrucken bezogen hat, während die Betroffene auch insoweit geschwiegen hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Entscheidung auf dem gerügten Mangel beruht.
2. Damit bedarf es eines Eingehens auf die weiter von der Betroffenen erhobenen Verfahrensrüge der Verletzung des § 78 Abs. 1 S. 2 OWiG nicht, wonach das AG vorliegend nicht von der Verlesung bzw. Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts des Bußgeldbescheides absehen durfte. Der Senat neigt allerdings entgegen Senge (in: KK-OWiG, 4. Aufl., § 71 Rn 71) zu der Auffassung, dass ein solches Vorgehen in einfach gelagerten Fällen (wie dem vorliegenden) nicht zu beanstanden ist. Das Interesse der Öffentlichkeit an der Mitteilung des Verfahrensgegenstandes dürfte in aller Regel durch den Inhalt der Verhandlung gewährleistet sein. Jedenfalls geht der Senat im Einklang mit der – einen Verstoß gegen § 243 Abs. 3 S. 1 StPO betreffenden – Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.12.1994 – 1 StR 641/94 – (= NStZ 1995, 200, 201) davon aus, dass bei einer solchen Fallgestaltung das Beruhen des Urteils auf dem Mangel auszuschließen ist.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Es ist in Rspr. und Kommentarliteratur einhellige Auffassung, dass derjenige, der bei einer Fahrbahn mit mehreren durch Richtungspfeile gekennzeichneten Spuren mit jeweils eigener Lichtzeichenregelung auf der durch Grünlicht freigegebenen Geradeausspur in eine Kreuzung einfährt und nach Überfahren der Haltelinie auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen für Linksabbieger wechselt, jedenfalls dann einen Rotlichtverstoß begeht und nicht nur eine Zuwiderhandlung gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung, wenn er den Spurwechsel von vornherein zum Zweck des Umfahrens des Rotlichts beabsichtigt hatte (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 37 Rn 33, 34; u.a. BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 647/96 = NJW 1998, 617; KG, Beschl. v. 7.4.2010 – 3 Ws (B) 115/10 – 2 Ss 40/10 = NZV 2010, 361). Nach Auffassung des BayObLG kommt es dabei für das Vorliegen eines Rotlichtverstoßes nicht darauf an, ob der Entschluss zum Fahrstreifenwechsel vor oder erst nach Passieren der Haltelinie gefasst wurde (BayObLG, Beschl. v. 27.6.2000 – 1 ObOWi 257/20000 = NZV 2000, 422; BayObLG, Beschl. v. 12.2.2002 – 1 ObOWi 607/01 = DAR 2002, 173,). Dem folgt der Senat. Stellt nämlich der Wechsel von einem durch Grünlicht freigegebenen Fahrstreifen auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen den objektiven Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO dar, kommt es in subjektiver Hinsicht alleine noch darauf an, ob der Verstoß vorwerfbar ist oder nicht. Dazu dürften vorliegend ergänzende Feststellungen zu treffen sein.“
Mitgeteilt von RiOLG Klaus-Michael Conzen, Köln
zfs 4/2016, S. 229 - 230