Betrachtet man die Entwicklung der Rechtsprechung zu diesem Thema seit der Entscheidung des VGH Mannheim, muss festgestellt werden, dass ausschließlich eine formalrechtliche Betrachtungsweise der entscheidenden Gerichte stattgefunden hat (siehe Abb. 2).
Abb. 3: Inhaltliche Begründungen der Rechtsprechungen
Die einzige Ausnahme stellt der Hinweis aus der Entscheidung des VGH München auf eine Ausführung von Ixmeier dar, der darauf hinweist, dass der Bundesrat bei der Einführung der FeV zum 1.1.1999 auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse hingewiesen hat und demzufolge im Beschluss aus 1998 die Promillegrenze von 2,0 auf 1,6 Promille reduziert wurde.
Ansonsten schöpfen die Gerichte ausschließlich die Interpretationsmöglichkeiten des § 13 FeV aus und sind nun bei der Möglichkeit einer Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung ab 0,3 Promille angelangt.
Das ist – wie auch in vielen anderen Problembereichen der Eignungsüberprüfung im Fahrerlaubnisrecht (hier sei ein Hinweis auf die aktuelle Diskussion zwischen Grenzwertkommission und Bund in Hinblick auf die Eingriffsstufe bei Fahrten unter Cannabis erlaubt) – die falsche Herangehensweise.
Grundlage für die Festlegung einer Eingriffsmöglichkeit im Verwaltungsrecht sollte ein klar definiertes Problem sein. Dazu sollte es entsprechende wissenschaftliche Grundlagen geben, die zu einer sinnvollen klaren Handlungsanweisung in den zugrundeliegenden Rechtsnormen führen.
Bei der angerissenen Problematik geht es um die Frage einer bestehenden Rückfallwahrscheinlichkeit, die zuerst einmal unabhängig von einer Promillezahl gesehen werden muss. Dieses Problem ist durch die Möglichkeit einer Eignungsüberprüfung in den Fällen abgedeckt, in denen die Fahrerlaubnisbehörde Kenntnis über Tatsachen hat, aufgrund derer die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Fahrzeugführer mit großer Wahrscheinlichkeit zukünftig wieder ein Fahrzeug unter Alkohol führen wird.
Nun scheint es aus wissenschaftlicher Sicht – so wie 1998 bei Einführung der FeV – aber auch die Tatsache zu geben, dass aufgrund einer bestimmten Promillezahl anlässlich einer Trunkenheitsfahrt die Aussage möglich ist, dass auch in diesen Fällen die Wahrscheinlichkeit von einem Rückfall im Sinne einer zukünftigen erneuten Trunkenheitsfahrt sehr hoch ist. Demzufolge kann die Diskussion nicht in einer formalrechtlichen Betrachtung in Hinblick auf die Auslegungsmöglichkeiten des § 13 FeV bestehen, sondern muss eine wissenschaftliche Ausrichtung erhalten, welche Erkenntnisse man heranziehen kann, um diese Frage zu beantworten. Dann muss – erweitert im Sinne der Aussage des VGH München unter Rn 54:
" … Solange der Gesetz- und Verordnungsgeber etwaige weiterhin bestehende Wertungsunterschiede nicht beseitigt, gilt jedoch der gesetzlich angeordnete Vorrang der strafgerichtlichen Beurteilung. …" –
die Rechtsnorm des § 13 FeV in Hinblick auf die notwendige Eingriffsschwelle angepasst werden. So auch Koehl und Scheidler in ihren aktuellen Ausführungen.
Der heutzutage oft festzustellende Ansatz – was lässt eine Rechtsnorm interpretativ zu? – ist ebenso falsch im Sinne der Verkehrssicherheit und in Bezug auf den Schutz der Betroffenen wie der im Verwaltungsbereich verbreitete Grundsatz, sich an den Möglichkeiten zu orientieren, die durch die Rechtsprechung zulässig sind.
Es muss daher eine Rückkehr zur wissenschaftlich basierten Betrachtungsweise erfolgen. Die Begutachtungs-Leitlinien führen dazu generell Folgendes aus:
" … Für die gerechtfertigte Annahme einer Verkehrsgefährdung muss die nahe durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schädigungsereignisses gegeben sein. Die Möglichkeit – die niemals völlig auszuschließen ist –, dass es trotz sorgfältiger Abwägung aller Umstände einmal zu einem Schädigungsereignis kommen kann, wird für die Fälle der empfohlenen positiven oder bedingt positiven Begutachtung hingenommen. Die Grenze zwischen den Bereichen positiv (auch bedingt positiv) bzw. negativ zu beurteilender Fälle ist nur unter Beachtung des Einzelfalls zu ziehen. … "
Das kann nicht nur für Krankheiten gelten, sondern auch für jede Eignungsüberprüfung, der eine relevante Problematik zugrunde liegt.
Ergänzend zu dieser Rückkehr "zu den Wurzeln" bedarf es auch einer Gesamtschau der Thematik Alkoholproblematiken.
Es wäre unsinnig, jetzt wieder nur an einem Stellrad zu drehen – der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung ab einer zu definierenden Promillezahl – und § 13 FeV entsprechend anzupassen, sondern es muss vielmehr das Problem im Ganzen betrachtet werden:
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die Überprüfung von Fahrzeugführern, |
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Gleichschaltung von Promillezahlen im Straf- und Verwaltungsrecht, |
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Herabsetzung der Promillegrenzen im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Sanktionierung von alkoholauffälligen Fahrzeugführern (Radfahrern). |
Es ist eine immer wiederkehrende Erfahrung aus nunmehr 15 Jahren Fahrerlaubnis-Verordnung, dass oft an einer Stellschraube gedreht wird und vergessen wird, dass diese ...