Die Bestimmung der angemessenen Prüffrist für die Prüfung und die sich daran anschließende Regulierung von Kfz-Haftpflichtschäden ist für die Beantwortung der Frage, ob und ab wann der Haftpflichtversicherer in Verzug gerät, und die darauf aufbauende Frage, ob der Haftpflichtversicherer bei einer Zahlung nach Rechtshängigkeit der von dem Geschädigten geltend gemachten Forderung noch ein sofortiges Anerkenntnis abgeben kann und sich damit den Kostenvorteil nach § 93 ZPO sichern kann, erheblich.
1. Die sehr unterschiedlichen Bestimmungen der Prüffristen, die von 2 Wochen (AG Erlangen DAR 2005, 690), mindestens 2–3 Wochen (OLG Saarbrücken MDR 2007, 1190; OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 114), 3–4 Wochen (LG Bielefeld zfs 1968, 262), einem Monat (OLG Frankfurt a.M. OLGR 1996, 77), 6 Wochen (KG VersR 2009, 262) bis zu 7 Wochen (LG Oldenburg DAR 1999, 76) reichen (vgl. auch die Aufstellungen in OLG München DAR 2010, 644 und Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 2: Verkehrszivilrecht, 6. Aufl., § 8 Rn 368 f.), sind nicht aussagekräftig.
2. Da die Bestimmung der Prüffrist nach zutreffender Ansicht von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. OLG München DAR 2010, 644; OLG Saarbrücken zfs 1991, 16; OLG Düsseldorf NZV 2008, 151; OLG Stuttgart DAR 2010, 387), kann die Angemessenheit der Prüffrist nicht im Wege einer Ermittlung des arithmetischen Mittels der allzu sehr differierenden Zeiträume gewonnen werden. Vielmehr ist auf die Dauer der angemessenen Prüfung abzustellen. Da der Haftpflichtversicherer nicht verpflichtet ist, "unbesehen und vorschnell Zahlungen zu leisten" (OLG Düsseldorf NZV 2008, 151), ist ihm eine angemessene Prüffrist einzuräumen. Deren Beginn hängt in erster Linie davon ab, ob die Schadensanzeige des Geschädigten der Haftpflichtversicherung eine professionelle Prüfung erlaubt und ggf. eine den Prüfungszeitraum verlängernde Nachfrage der Haftpflichtversicherung angezeigt war. Ein Einfallstor für die erhebliche Verlängerung der Prüfungsfrist ist diese Einschränkung nicht, da zum einen die Haftpflichtversicherung auf Nachbesserung drängen muss, zum anderen nachträglich überprüft wird, ob die Schadensanzeige eine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Schadens bot.
Abhängig ist die Dauer der Prüfung in erster Linie von der personellen Ausstattung der Haftpflichtversicherung und der hierbei eingesetzten Hilfsmittel sowie dem Schwierigkeitsgrad des angezeigten Falles. Einzelheiten der Professionalität der Vorgehensweise der Versicherung, insb. die Prüfung des Zeitelements sind naturgemäß nicht bekannt; angesichts der Gefahr der Verzögerung von Prüfung und Regulierung für den Geschädigten, der Monopolstellung der Haftpflichtversicherung bei der Abwicklung der Schadensfälle erscheint eine Vorgabe von drei Wochen für die Prüfung angemessen (vgl. auch zu dem schützenswerten Vertrauen auf den Eintritt der Versicherung Fausten, in: MüKo zum VVG § 14 Rn 16 ff.).
3. Neben der Abhängigkeit der Prüffrist von der Qualität der internen Erhebungen können externe Einflüsse die Dauer der Prüffrist beeinflussen. In Betracht kommen sowohl nichtbeantwortete Anfragen der Haftpflichtversicherung gegenüber dem Schädiger und ihrem VN und die fehlende Möglichkeit der Einsicht in die Ermittlungsakte. Der technische Fortschritt bei der Schadensbearbeitung, der insb. wegen des Zugriffs auf Datenbanken kürzere Prüfzeiträume ermöglichte (vgl. OLG Saarbrücken MDR 2007, 1190; OLG Düsseldorf NZ 2008, 161; OLG München DAR 2010, 644), wird dadurch rückgängig gemacht. Ob das allerdings ausreicht, der Haftpflichtversicherung einen geräumigeren Prüfungszeitraum zuzubilligen, erscheint zweifelhaft. Sowohl eine Verzögerung durch die fehlende Mitwirkung des eigenen VN, der ggf. wegen dieser Obliegenheitsverletzung in Regress genommen werden kann, als auch eine Verzögerung wegen fehlender Einsicht in die Ermittlungsakte sind Umstände, die allein in der Sphäre der Haftpflichtversicherung liegen und deren Berücksichtigung den berechtigten Interessen des Geschädigten zuwider liefe (vgl. OLG Saarbrücken zfs 1991, 16; OLG Saarbrücken MDR 2007, 1190; OLG München a.a.O.; OLG Dresden NZV 2009, 604).
4. Vom Durchschnittsfall abweichende Bemessungen der Prüffrist sind von dem LG zu Recht aus dem Vorliegen eines Unfalls mit Auslandsbezug abgeleitet worden.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 4/2016, S. 198 - 200