BGB § 286 Abs. 4
Leitsatz
Die der Haftpflichtversicherung zuzubilligende Überprüfungsfrist hinsichtlich einer Regulierungsaufforderung hängt von den Gesamtumständen des Einzelfalles ab und liegt im Regelfall, gerechnet ab dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens des Geschädigten – unabhängig von der Möglichkeit des Haftpflichtversicherers in die Ermittlungsakte Einsicht zu nehmen –, zwischen drei und vier Wochen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Zweibrücken, Urt. v. 16.10.2015 – 2 O 104/15
Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall, an dem der Kl. mit seinem Kfz und ein litauischer Lkw beteiligt waren, machte der Kl. am 11.3.2015 dem Bekl. Büro Grüne Karte e.V. Mitteilung von dem Unfall und übermittelte mit Schreiben vom 17.3.2015 die bezifferten Schadenspositionen. Die Kl. forderte den Bekl. fruchtlos unter Fristsetzung bis zum 28.4.2015 zur Zahlung auf. Am 29.4.2015 reichte die Kl. Klage auf Erstattung der ihr entstandenen Schäden ein. Mit Schreiben vom 18.5./22.5 2015 bezifferte die Kl. die weiteren von ihr geltend gemachten Schadenspositionen Nutzungsausfall, Abschleppkosten und Einstellgebühren. Insoweit erfolgte die Klageerweiterung am 1.6.2015.
Der Bekl. beglich nach Rechtshängigkeit der Gesamtforderungen den verlangten Betrag, woraufhin die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt haben. Das LG hat zum überwiegenden Teil dem Bekl. insoweit auferlegt.
2 Aus den Gründen:
" … Das Gericht hat deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insb. der ohne die Erledigungserklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann."
Vorliegend waren deshalb zu einem überwiegenden Teil der beklagten Partei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Denn die beklagte Partei hat zwischenzeitlich die strittige Forderung ohne Einwendungen bezahlt und hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass die Forderung der Klägerseite berechtigt war. Die beklagte Partei war ferner, da sie trotz Mahnung nicht geleistet hat, bei Klageerhebung in Verzug und hat dadurch zur Klage Veranlassung gegeben. Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO kommt deshalb vorliegend jedenfalls zu einem weit überwiegenden Teil nicht zur Anwendung.
Die Kl. hat dem Bekl. bereits am 11.3.2015 Mitteilung über den Unfall gemacht. Eine Bekanntgabe und Bezifferung sämtlicher Schäden erfolgte mit Schreiben vom 17.3.2015. Unter Fristsetzung bis zum 28.4.2015 forderte die Kl. den Bekl. schließlich letztmalig erfolglos zur Zahlung auf.
Durch das entsprechende Aufforderungsschreiben der Kl. befand sich der Bekl. vor Einreichung der Klage am 29.4.2015 mit der Zahlung des damals angeforderten Betrages in Verzug.
Zwar darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dem Bekl. vor Zahlung des angeforderten Betrages eine gewisse Prüf- und Überlegungsfrist zu gewähren ist. Im Zuge der Abwicklung von Verkehrsunfällen muss der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners die Gelegenheit haben, den geschilderten Unfall sowie die geltend gemachten Schäden zu überprüfen und auf Basis der eigenen Überprüfung zu klären, ob eine Regulierung des Verkehrsunfalles erfolgen soll.
b) Im vorliegenden Fall ist eine Prüffrist von 4 Wochen angemessen.
Es entspricht st. Rspr., dass die Überprüfungsfrist der Haftpflichtversicherung von den Gesamtumständen des Einzelfalles abhängt. Der Beginn der Frist setzt dabei nicht voraus, dass die Haftpflichtversicherung Gelegenheit erhält, in die Ermittlungsakte Einsicht zu nehmen (OLG Saarbrücken zfs 1991, 16). Das OLG München geht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 davon aus, dass die Haftpflichtversicherung maximal einen Zeitraum von 4 Wochen ab Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens, d.h. ab Zugang eines Schreibens, welches die einzelnen Schäden detailliert beziffert, benötigt (OLG München DAR 2010, 644). Umgekehrt nimmt das OLG Düsseldorf bei durchschnittlichen Verkehrsunfällen einen Zeitraum von lediglich 3 Wochen an (Az. I-1 W 23/07).
Dabei lässt die Kammer nicht außer Acht, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Unfall mit Auslandsbezug handelt, bei welchem naturgemäß mehrere Institutionen und Personen in die Schadensabwicklung eingebunden waren und eingebunden werden mussten.
Im konkreten Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass trotz der Verursachung des hier streitgegenständlichen Verkehrsunfalles durch einen ausländischen Lkw eine Zahlung – bzw. jedenfalls aber eine Reaktion gleich welcher Art – unproblematisch innerhalb der gesetzten Frist und vor Einreichung der Klageschrift möglich war. Eine Deckungszusage der ausländischen Versicherung lag bereits ab dem 10.4.2015 vor. Eventuelle Unsicherheiten, welche seitens des Bekl. noch zu überprüfen waren, bestanden jedenfalls bezüglich des Haftungsgrundes ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Den...