RVG § 7 Abs. 1 § 15 Abs. 2; GKG § 45 Abs. 1 S. 2

Leitsatz

Vertritt der Prozessbevollmächtigte einen Zessionar, der aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen einer Beteiligung von einem Anlageberater begehrt, und in demselben Rechtsstreit auch den Zedenten, der vom Anlageberater im Wege der Drittwiderklage auf Feststellung in Anspruch genommen wird, dass ihm im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung keine Ansprüche zustehen, handelt es sich um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit.

(Leitsatz der Schriftleitung)

BGH, Beschl. v. 17.12.2015 – III ZB 61/15

Sachverhalt

Die Kl. hatte vor dem LG Aschaffenburg die Bekl. aus abgetretenem Recht ihres Vaters auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch genommen. Die Bekl. hat mit der Klageerwiderung gegen den Zedenten – den Vater der Kl. – Drittwiderklage auf negative Feststellung erhoben, dass ihm im Zusammenhang mit dem Erwerb seiner Beteiligung keine Ansprüche gegen die Bekl. zustehen. Hieraufhin hat die Prozessbevollmächtigte der Kl. auch die Vertretung des Drittwiderbeklagten übernommen. Das LG Aschaffenburg hat durch Urt. v. 17.4.2013 der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben die Parteien vor dem OLG Bamberg in der mündlichen Verhandlung vom 30.1.2014 einen Vergleich geschlossen, wonach im Kostenpunkt die Kl. 5/14 und die Bekl. 9/14 der Kosten des Rechtsstreits übernommen hatten. Außerdem hatte die Bekl. zusätzlich die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten in vollem Umfang übernommen.

Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Kl. und der Drittwiderbeklagte – soweit hier von Interesse – für die erste und die zweite Instanz jeweils eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr ihrer gemeinsamen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des LG ist vom Vorliegen nur einer einzigen gebührenrechtlichen Angelegenheit für jede Instanz ausgegangen. Sie hat in dem Kostenausgleichungsbeschluss die nach Nr. 1008 VV RVG erhöhte Verfahrensgebühr sowie die Terminsgebühr nur einmal berücksichtigt. Die gegen die Absetzung gerichtete sofortige Beschwerde der Kl. und des Drittwiderbeklagten hat das OLG Bamberg zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Kl. und des Drittwiderbeklagten hatten keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[2] "… II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend sind die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass es sich bei der anwaltlichen Vertretung der Kl. und des Drittwiderbeklagten um dieselbe Angelegenheit i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 RVG handelt."

[3] 1. Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insb. der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (vgl. BGH RVGreport 2011, 339 (Hansens) = NJW 2011, 3167; BGH RVGreport 2014, 388 (ders.) = AGS 2014, 263). Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen i.d.R. dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit gesprochen werden kann.

[4] 2. Der Klage und der Drittwiderklage liegt der inhaltlich identische Schadensersatzanspruch gegen die Bekl. wegen fehlerhafter Aufklärung und Beratung des Drittwiderbeklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb seiner Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zugrunde. Sowohl dem Drittwiderbeklagten als Zedenten als auch der Kl. als Zessionarin war an einer erfolgreichen Durchsetzung dieses Anspruchs gelegen. Der Drittwiderbeklagte hat durch die Abtretung seiner Ansprüche an die Kl. deren Aktivlegitimation überhaupt erst herbeigeführt. Dieser innere Zusammenhang ist im Übrigen notwendige Voraussetzung der Zulässigkeit der Drittwiderklage. Denn eine isolierte Widerklage gegen eine bisher am Verfahren nicht beteiligte Partei ist nur zulässig, wenn unter anderem die Gegenstände der Klage und Widerklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind (vgl. nur BGH NJW 2008, 2852 m.w.N.). Hierbei resultiert das rechtlich schutzwürdige Interesse des im Klagewege vom Zessionar in Anspruch genommenen Schuldners an der Drittwiderklage gegen den Zedenten daraus, dass nur auf diesem Weg das Nichtbestehen der mit der Klage verfolgten Ansprüche in diesem Rechtsstreit mit Rechtskraft auch gegenüber dem Zedenten sicher festgestellt werden kann (BGH a.a.O.). Der enge Zusammenhang zeigt sich auch daran, dass sich der Streitwert gem. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG bemisst und eine Zusammenrechnung der Werte von Klage und Widerklage wegen derer wirtschaftlicher Identität unterbleibt. Vor diesem Hintergrund wurde die Prozessbevollmächtigte der Kl., als sie die Vertretung des Drittwiderbeklagten übernahm, in derselben Angelegenheit tätig.

[5] 3. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung der Kl. und des Drittwiderbeklagten, die sich hierzu auf einen Beschl. des OLG Stuttgart (AGS 2013, 394) ...

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