Senatsurteil vom 8.4.2015 – IV ZR 171/13, r+s 2015, 710–712
Ls.: Das vom Versicherungsnehmer zu beweisende äußere Bild eines Einbruchdiebstahls setzt nicht voraus, dass vorgefundene Spuren "stimmig" in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche, typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein.
Im April 2015 entschied der IV. Zivilsenat einen der wenigen wichtigen Fälle der jüngeren Vergangenheit zum Einbruchdiebstahl; es handelte sich dabei zwar nicht um einen Kfz-Diebstahl, die Grundsätze, die dort entwickelt wurden, können jedoch auch hier interessant sein, insbesondere bei Diebstählen von Fahrzeugteilen und -zubehör aus dem Fahrzeug oder wenn ein Einbruchdiebstahl begangen wird, bei dem auch Fahrzeugschlüssel mitgenommen worden sein sollen, mit denen dann das Fahrzeug des Versicherungsnehmers entwendet wurde. Auf einen derartigen Fall wird später noch ausführlicher eingegangen werden.
Der Versicherungsnehmer forderte Versicherungsleistungen in Höhe von fast 286.000 EUR aus einer Firmen-Inhaltsversicherung für einen behaupteten Einbruchdiebstahl in seine Geschäftsräume. Er war gewerblich mit der Herstellung von Armbanduhren aus Halbfertigprodukten befasst. Am 12.1.2002 meldete der Hausmeister des Anwesens der Polizei, dass versucht worden sei, in verschiedene Geschäftsräume im Haus einzubrechen. Der Kläger hielt sich zu dieser Zeit in der Türkei auf.
Nach den Feststellungen der Polizei fanden sich vor einem aufgehebelten Fenster auf der Rückseite des Hauses Fußspuren im Schnee sowie zwei Armbanduhren. Zwei weitere Uhren lagen auf dem Fenstersims und dem Boden des Treppenhauses. Die Eingangstür zu den Räumen des Klägers stand offen. Alle drei Verschlussriegel waren zweitourig herausgefahren. An Türblatt und Zarge befanden sich zahlreiche Werkzeugspuren. Hebelspuren gab es auch an den Eingangstüren zu den Geschäftsräumen von zwei anderen Firmen im Hause; diese Türen waren aber noch verschlossen. Die beklagte Versicherung hat insbesondere eingewendet, der Diebstahl sei nur vorgetäuscht und auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten verwiesen, wonach die Werkzeugspuren an der Tür nicht zu erklären seien.
Das LG hatte der Klage nach Einholung weiterer Sachverständigengutachten bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsforderung stattgegeben. Das OLG hat sie nach ergänzender Anhörung des vom LG mit der Begutachtung der Türschäden beauftragten Sachverständigen abgewiesen, weil schon das äußere Bild eines bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahls nicht bewiesen sei. Es fehle insbesondere an dem notwendigen "stimmigen" Spurenbild eines Einbruchs. So fehlten Beschädigungen, die bei einem gewaltsamen Überwinden der Türverschlüsse an der Schlossseite zwingend hätten auftreten müssen.
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Urteils. Das Verfahren musste an das BG zurückverwiesen werden, denn es hatte die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt und seiner diesbezüglichen Prüfung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt. Wie oben ausgeführt, genügt der Versicherungsnehmer seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört – anders als bei einem Kfz-Diebstahl – neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass – abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls – Einbruchspuren vorhanden sind. Ist dem Versicherungsnehmer dieser Beweis gelungen, so ist es Sache des Versicherers, seinerseits zu beweisen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht war. Die dabei zu beachtenden unterschiedlichen Anforderungen an die Beweisführung hatte das BG nicht hinreichend auseinandergehalten.
Davon, dass die als gestohlen bezeichneten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort jedenfalls im Wesentlichen vorhanden und danach nicht mehr auffindbar gewesen sind, war im Revisionsverfahren zugunsten des Klägers auszugehen. Vom nicht festgestellten sog. Beutenachweis abgesehen ließen die vom BG festgestellten Tatsachen bei Berücksichtigung der Grundsätze der Senatsrechtsprechung aber in ihrer Gesamtschau mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen Einbruchdiebstahl zu; sie ergaben mithin das äußere Bild einer solchen Tat.
Damit aber lag – insbesondere im Zusammenhang mit den weiteren Umständen, wie den verstreuten Uhren und den Hebelspuren auch an anderen Türen im selben Gebäude – hinsichtlich eines möglichen Eindringens in die Geschäftsräume das äußere Bild eines Einbruchs vor. Dem stand auch nicht entgegen, dass das Fehlen weiterer Spuren an der Eingangstür nach den Ausführungen des Sachverständigen im Falle ihres gewaltsamen Aufbruchs als sehr unwahrscheinlich anzuseh...