Die Gewährleistungsvorschriften der §§ 651c ff. BGB des Reiserechts verdrängen weitgehend die allgemeinen Bestimmungen über Verzug, Unmöglichkeit und positive Vertragsverletzung (vgl. BGHZ 92, 177; BGH NJW 1986, 1748).
1. Ausgangspunkt des eigenständigen Gewährleistungsrechts des Reiserechts ist der Reisemangel, der darauf abstellt, dass der Reiseveranstalter das "Leistungsprogramm der Reise als Gesamtheit" (Führich, Reiserecht, 7. Aufl., § 7 Rn 3) zu erbringen hat. Das hat zur Folge, dass der Mangelbegriff weit zu fassen ist, die Vertragsparteien als "Verfasser" des Leistungsprogramms vorgeben, aus welchen Gründen die Differenz der erbrachten Leistungen zu dem zugesagten Umfang in quantitativer und qualitativer Hinsicht als Mangel anzusehen ist (vgl. A. Staudinger, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Ausgabe 2015, § 651c BGB Rn 8 m.w.N.). Da die Haftung des Reiseveranstalters verschuldensunabhängig ist (vgl. BGH NJW 1995, 2629; BGH NJW 2000, 1188), hat die Rspr. aus Billigkeitsgründen eine Einschränkung dieser weitgehenden Haftung vorgenommen. Die verschuldensunabhängige Einstandspflicht soll nur dann eingreifen, wenn der Mangel aus der Einflusssphäre des Veranstalters herrührt (vgl. LG Frankfurt am Main NJW 1983, 2264; LG Frankfurt am Main NJW 1992, 890; Tempel, JuS 1984, 81, 87; Tempel, RRA 1998, 19, 21). Diese Einschränkung wirkt sich nicht bei der Erbringung der Leistungen des Leistungsprogramms aus. Vielmehr werden aus dem Umfeld der Leistungen herrührende Beeinträchtigungen des Reisegenusses erfasst und aus dem Haftungsbereich herausgenommen. Plakativ sind die Fälle, in denen Umwelteinflüsse, wie etwa die Algenpest, die Qualität eines Badeurlaubs beeinträchtigten (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 1328; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 1401; LG Frankfurt NJW-RR 1990, 761; LG Hannover NJW-RR 1991, 376). Kritisch wird gegen diesen engen Mangelbegriff eingewandt, dass die Beschreibung der möglichen nachteiligen Umwelteinflüsse im Prospekt oft die Risiken ausblendet und systemwidrig Verschuldensgesichtspunkte einschränkend in die Bestimmung des Mangelbegriffs einfließen (vgl. Staudinger, a.a.O.).
2. Eine weitere Besonderheit des Reiserechts zeigt sich darin, dass der Reisemangel unmittelbar den Reisepreis mindert (§ 651d Abs. 1 BGB). Dabei wird der Pauschalpreis gemindert, nicht etwa – was auch kaum möglich ist – die Reiseteilleistung von der Minderung erfasst (vgl. Seyderhelm, ZAP 99, Fach 6, S. 309). Tritt der Mangel – wie hier – in einem frühen Stadium der Reise ein und macht er einen Reisegenuss wegen der Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung erforderlich, erlischt der Anspruch auf den Reisepreis in voller Höhe (vgl. Tempel, NJW 1996, 164).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 4/2017, S. 197 - 199