BGB § 651 Abs. 1 § 651d Abs. 1
Leitsatz
1. Der Reiseveranstalter trägt das Risiko, den vereinbarten Reisepreis nicht zu erhalten, auch dann, wenn der Reiseerfolg durch Umstände vereitelt wird, die weder ihm noch dem Reisenden zugerechnet werden können.
2. Die Verletzung des Reisenden bei einem Verkehrsunfall während des Transfers vom Flughafen zum Hotel begründet einen Reisemangel, auch wenn den Reiseveranstalter kein Verschulden an dem Unfall trifft. Wird der Reisende hierdurch so schwer verletzt, dass er keine weiteren Reiseleistungen in Anspruch nehmen kann, verliert der Reiseveranstalter regelmäßig den gesamten Anspruch auf den Reisepreis.
BGH, Urt. v. 6.12.2016 – X ZR 117/15
Sachverhalt
Die Kl. buchte für sich und ihren Ehemann eine Pauschalreise in die Türkei zum Preis von 1.485 EUR. Zu den Reiseleistungen gehörte der Transfer vom Flughafen zum Hotel. Auf dieser Fahrt stieß der Transferbus auf der eigenen Fahrspur mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen. Dabei erlitten die Kl. und ihr Ehemann Verletzungen, derentwegen der Ehemann intensivmedizinisch behandelt werden musste.
Die Kl. hat die Rückzahlung des gesamten Reisepreises verlangt. Das AG hat das Vorliegen eines Reisemangels bejaht und die Bekl. unter Abweisung der weitergehenden Klage und unter Berücksichtigung einer vorgerichtlichen Zahlung zur Zahlung von 1.002,72 EUR verurteilt. Das LG hat auf die Berufung des beklagten Reiseveranstalters den Klageanspruch mit der Begründung verneint, mit dem Unfall habe sich das allgemeine, von dem Reisenden zu tragende Lebensrisiko verwirklicht.
Die vom LG zugelassene Revision der Kl. führte zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
2 Aus den Gründen:
[5] "… Der Kl. steht ein Anspruch auf Erstattung des Reisepreises gem. § 651d Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 638 Abs. 4 BGB zu."
[6] 1. Nach § 651c Abs. 1 BGB ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ein Reisemangel liegt daher vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistungen von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, und dadurch der Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird. Der Reiseveranstalter trägt unabhängig von der Ursache des Fehlers grds. die Gefahr des Gelingens der Reise und hat auch ohne Verschulden für den Erfolg und die Fehlerfreiheit der Gesamtheit der Reiseleistungen einzustehen (BGH, Urt. v. 23.9.1982 – VII ZR 301/81, BGHZ 85, 50, 56; Urt. v. 17.1.1985 – VII ZR 375/83, NJW 1985, 1165, 1166; Urt. v. 20.3.1986 – VII ZR 187/85, BGHZ 97, 255, 259; Urt. v. 12.6.2007 – X ZR 87/06, NJW 2007, 2549 = RRa 2007, 215 Rn 20; vgl. auch Führich, Reiserecht, 7. Aufl., § 7 Rn 3; Staudinger/A. Staudinger; BGB, Neubearbeitung 2016, § 651c Rn 9, 42, jeweils m.w.N.). Fällt bereits die erste Reiseleistung aus und wird damit die gesamte Reise vereitelt, verliert der Reiseveranstalter seinen Vergütungsanspruch insgesamt (BGHZ 97, 255).
[7] 2. Nach diesen Maßstäben liegt ein Reisemangel i.S.v. § 651c Abs. 1 BGB vor.
[8] a) Die von der Bekl. als Reisebestandteil geschuldete Transferleistung hatte entgegen der Auffassung des BG nicht nur zum Inhalt, ein zum Transport der Reisenden wie ihres Gepäcks geeignetes verkehrssicheres Fahrzeug und zu dessen Führung ausgebildetes und geeignetes Personal bereitzustellen. Vielmehr schuldete die Bekl. insoweit – wie auch im Übrigen – den Erfolg der Reise(teil)leistung, von dem die Inanspruchnahme aller weiteren Leistungen abhing; sie hatte mithin die Reisenden unversehrt vom Flughafen zum Hotel zu befördern. Auch wenn die Parteien im Reisevertrag keine konkreten Vereinbarungen über die Beschaffenheit der Transferfahrt vereinbart hatten, entsprach dieser Inhalt der Leistungspflicht der Bekl. nach der Verkehrsauffassung der ge wöhnlichen Beschaffenheit dieses Reisebestandteils. Der Reisende darf erwarten, dass der Reiseveranstalter die Transferleistung so erbringt, dass seine körperliche Unversehrtheit hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
[9] b) Die Bekl. hat diese Leistung objektiv fehlerhaft erbracht, da der Transferbus während des Transports in einen Verkehrsunfall verwickelt und die Reisenden hierdurch – zum Teil schwer – verletzt wurden. Entgegen der Auffassung des BG ist ein Reisemangel nicht deshalb zu verneinen, weil sich in der mangelhaften Transferleistung das allgemeine Lebensrisiko der Reisenden verwirklicht hätte.
[10] aa) Eine Begrenzung der reisevertraglichen Gewährleistung kann in Bezug auf Umstände geboten sein, die allein in der persönlichen Sphäre des Reisenden liegen oder in denen sich Risiken verwirklichen, die der Reisende im täglichen Leben ebenfalls zu tragen hat. Damit wird dem Schutzzweck der reisevertraglichen Gewährleistung Rechnung getragen, ebenso wie es im Schadensersatzrecht anerkannter Lehre entspric...