BGB § 249 Abs. 2 § 843 Abs. 4
Leitsatz
Für einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung wegen unfallbedingter Beschädigung eines Kfz ist es grds. unschädlich, wenn dem Geschädigten von Dritten, insb. Familienmitgliedern, unentgeltlich ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt wird.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.6.2017 – 4 U 33/16
Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall stellte die Ehefrau des Geschädigten ihm unentgeltlich ihr Fahrzeug zur Nutzung zur Verfügung. Das LG verneinte einen Anspruch des Geschädigten auf Erstattung des Nutzungsausfallschadens. Die Berufung des geschädigten Widerklägers führte zu dessen Zuerkennung.
2 Aus den Gründen.
" … [18] II. 1. Die vom LG zutreffend bejahte volle Haftung des Kl. dem Grunde nach für die durch das Schadensereignis vom 12.3.2015 verursachten Schäden des Bekl. zu 1) gem. §§ 7, 18 StVG hat die Berufungserwiderung ausdrücklich außer Streit gestellt."
[19] 2. Über die erstinstanzlich bereits zuerkannte Widerklageforderung hinaus steht dem Bekl. zu 1) nach dem sich im Berufungsrechtszug darstellenden Sach- und Streitstand Nutzungsentschädigung i.H.v. 1.666 EUR – für 14 Tage je 119 EUR – zu.
[20] a) Der durch die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs bedingte Nutzungsausfall ist regelmäßig ein nach § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzender Schaden (BGH NJW 2013, 1149 [1150] = NZV 2013, 282 Rn 13). Die Entschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile des Kfz setzt voraus, dass der Geschädigte tatsächlich an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert war (Nutzungsentzug) und der Verzicht auf ein Ersatzfahrzeug sich für ihn als "fühlbarer" wirtschaftlicher Nachteil ausgewirkt hat, weil er das Fahrzeug während der Wiederherstellungszeit in dieser Zeit benutzen wollte (Nutzungswille) und zur Nutzung in der Lage war (hypothetische Nutzungsmöglichkeit) und die Entbehrung der Nutzung nicht in anderer, anrechenbarer Weise aufgefangen worden ist (Freymann/Rüßmann, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB Rn 211 m.w.N.). Der Nutzungsentzug infolge der Beseitigung der vom Kl. verursachten Beschädigung des Bekl.-Pkw, der durch die abgerechnete Reparatur indizierte Nutzungswille und die hypothetische Nutzungsmöglichkeit des offensichtlich weiterhin fahrtüchtigen Bekl. zu 1) stehen außer Frage. Schließlich ist entgegen der Auffassung des LG auch ein "fühlbarer" wirtschaftlicher Nachteil des Bekl. zu 1) zu bejahen.
[21] aa) Zwar kann die Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung fehlen, wenn dem Geschädigten ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung steht, dessen Einsatz ihm zumutbar ist (Freymann/Rüßmann, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, (§ 249 BGB Rn 215). Wer über ein weiteres Fahrzeug verfügt, dessen Einsatz ihm zuzumuten ist, kann keine Nutzungsausfallentschädigung, sondern allenfalls Ersatz der Vorhaltekosten beanspruchen (BGH NJW 1976, 286; Knerr, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, Kap. 3 Rn 97).
[22] bb) Hingegen bleibt nach überwiegender Auffassung und insb. der Rspr. des BGH, welcher der Senat folgt, der Nutzungsentschädigungsanspruch bestehen, wenn der Geschädigte von Dritten, worunter auch Familienmitglieder fallen, unentgeltlich ein Ersatzfahrzeug erhalten hat (BGH NJW 1970, 1120 [1122], fühlbare Einbuße auch dann, wenn statt des "kräfteschonende[n] Fahren[s] in dem leistungsstarken und bequemen [achtsitzigen] Mercedes 600" vom Arbeitgeber ein Opel Rekord mit Chauffeur gestellt wird; NJW 1975, 255 [256], Ehefrau; NJW 2013, 1151 [1153] = DS 2013, 148 = NZV 2013, 229 Rn 23, Vater; OLG Celle VersR 1973, 281, Ehefrau; OLG Koblenz r + s 2014, 46 (47), Verwandtenkreis; LG Osnabrück, VersR 1984, 1178 [Ls.] Sohn; Erman/Ebert, BGB, 14. Aufl. 2014, § 249 Rn 52; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2017, § 251 Rn 80; Böhme/Biela, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 25. Aufl. 2013, a) Grundsätze, Rn 88; Freymann/Rüßmann, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, § 249 BGB Rn 215; vgl. auch Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 249 Rn 42; a.A z.B. AG Kaiserslautern zfs 1990, 193, Ehefrau; Fielenbach NZV 2015, 272 [273 ff.], Freunde oder Verwandte). Würde im Fall der vorübergehenden Überlassung eines Fahrzeugs z.B. durch die Ehefrau des Geschädigten eine erst durch den Schadensfall ausgelöste, allein um der Ehe willen bestehende Hilfs- und Beistandspflicht zugunsten des Schädigers berücksichtigt, so widerspräche das dem in § 843 Abs. 4 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsatz, dass es nicht zur Entlastung des Schädigers führen darf, wenn die konkrete wirtschaftliche Lage des Betr. von einer nachteiligen Veränderung nur dank solcher Leistungen eines anderen verschont geblieben ist, die nicht dem Schädiger zugutokommen sollen (BGH NJW 1975, 255 [256] = NJW 1975, 684 [Ls.]). Dies gilt auch für den Nutzungsausfallschaden (BGH NJW 1970, 1120 [1122]; NJW 2013, 1151 [1153] = DS 2013, 148 = NZV 2013, 229 Rn 23). So geht es bspw. den Schädiger offensichtlich auch nichts an, wenn der Geschädigte, der mangels Ersatzwagens zu Fuß geht, von anderen aus Gefälligkeit mitgenommen wird oder wenn der Verkäufer des neu anzuschaffe...