"Mit zwei Urteilen hat das BVerwG (…) die Sprungrevisionen der Länder Nordrhein-Westfalen (BVerwG, Urt. v. 27.2.2018 – 7 C 26.16) und Baden-Württemberg (BVerwG, Urt. v. 27.2.2018 – 7 C 30.17) gegen erstinstanzliche Gerichtsentscheidungen der VG Düsseldorf (VG Düsseldorf, Urt. v. 13.9.2016 – 3 K 7695/15) und Stuttgart (VG Stuttgart, Urt. v. 26.7.2017 – 13 K 5412/15) zur Fortschreibung der Luftreinhaltepläne Düsseldorf und Stuttgart überwiegend zurückgewiesen. Allerdings sind bei der Prüfung von Verkehrsverboten für Diesel-Kfz gerichtliche Maßgaben insb. zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu beachten."
Das VG Düsseldorf verpflichtete das Land Nordrhein-Westfalen auf Klage der Deutschen Umwelthilfe, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Jahr gemittelten Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) i.H.v. 40 µg/m³ im Stadtgebiet Düsseldorf enthält. Der Bekl. sei verpflichtet, im Wege einer Änderung des Luftreinhalteplans weitere Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen von Dieselfahrzeugen zu prüfen. Beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge seien rechtlich und tatsächlich nicht ausgeschlossen.
Das VG Stuttgart verpflichtete das Land Baden-Württemberg, den Luftreinhalteplan für Stuttgart so zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 i.H.v. 40 µg/m³ und des Stundengrenzwerts für NO2 von 200 µg/m³ bei max. 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. Der Bekl. habe ein ganzjähriges Verkehrsverbot für alle Kfz mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kfz mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart in Betracht zu ziehen.
Die verwaltungsgerichtlichen Urteile sind vor dem Hintergrund des Unionsrechts überwiegend nicht zu beanstanden. Unionsrecht und Bundesrecht verpflichten dazu, durch in Luftreinhalteplänen enthaltene geeignete Maßnahmen den Zeitraum einer Überschreitung der seit 1.1.2010 geltenden Grenzwerte für NO2 so kurz wie möglich zu halten.
Entgegen der Annahmen der VG lässt das Bundesrecht zonen- wie streckenbezogene Verkehrsverbote speziell für Diesel-Kfz jedoch nicht zu. Nach der bundesrechtlichen Verordnung zur Kennzeichnung der Kfz mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (“Plakettenregelung‘) ist der Erlass von Verkehrsverboten, die an das Emissionsverhalten von Kfz anknüpfen, bei der Luftreinhalteplanung vielmehr nur nach deren Maßgaben möglich (rote, gelbe und grüne Plakette).
Mit Blick auf die unionsrechtliche Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der NO2-Grenzwerte ergibt sich jedoch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass nationales Recht, dessen unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist, unangewendet bleiben muss, wenn dies für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts erforderlich ist. Deshalb bleiben die “Plakettenregelung‘ sowie die StVO, soweit diese der Verpflichtung zur Grenzwerteinhaltung entgegenstehen, unangewendet, wenn ein Verkehrsverbot für Diesel-Kfz sich als die einzig geeignete Maßnahme erweist, den Zeitraum einer Nichteinhaltung der NO2-Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten.
Hinsichtlich des Luftreinhalteplans Stuttgart hat das VG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass lediglich ein Verkehrsverbot für alle Kfz mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kfz mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart eine geeignete Luftreinhaltemaßnahme darstellt.
Bei Erlass dieser Maßnahme wird jedoch – wie bei allen in einen Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen – sicherzustellen sein, dass der auch im Unionsrecht verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Insoweit ist hinsichtlich der Umweltzone Stuttgart eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge (etwa bis zur Abgasnorm Euro 4) betrifft, zu prüfen. Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürfen Euro-5-Fahrzeuge jedenfalls nicht vor dem 1.9.2019 (mithin also vier Jahre nach Einführung der Abgasnorm Euro 6) mit Verkehrsverboten belegt werden. Darüber hinaus bedarf es hinreichender Ausnahmen, z.B. für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.
Hinsichtlich des Luftreinhalteplans Düsseldorf hat das VG festgestellt, dass Maßnahmen zur Begrenzung der von Dieselfahrzeugen ausgehenden Emissionen nicht ernsthaft in den Blick genommen worden sind. Dies wird der Bekl. nachzuholen haben. Ergibt sich bei der Prüfung, dass sich Verkehrsverbote für Diesel-Kfz als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte darstellen, sind diese – unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – in Betracht zu ziehen.
Die StVO ermöglicht die Beschilderung sowohl zonaler als auch streckenbezogener Verkehrsver...