Die Haftung des Schädigers entfällt dann, wenn in ausreichendem Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatten, dass es sich bei dem behaupteten Unfall um ein manipuliertes Geschehen handelt. In diesem Fall scheitert der Ersatzanspruch bereits an der Einwilligung des Geschädigten. Ist der äußere Schadenshergang nachgewiesen, obliegt dem Kfz-Haftpflichtversicherer nach dem Maßstab des § 286 ZPO die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der vermeintlich Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat. Bei einem entsprechenden Anfangsverdacht und insbesondere bei größeren Schäden beauftragen die Versicherer sogar Privatermittler, um weitere Beweismittel für eine Unfallmanipulation zu sammeln. Im Prozess wendet der beklagte Haftpflichtversicherer dann ein, der Kläger sei mit der Verletzung seines Rechtsguts einverstanden gewesen. Die Einwilligung des Eigentümers in die Beschädigung seiner Sache ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als Rechtfertigungsgrund vom Schädiger bzw. im Falle der Direktklage nach 115 VVG von dessen Haftpflichtversicherer zu beweisen.
Teilweise wird vertreten, dass in Ausnahmefällen (insbesondere bei einer Häufung von Anzeichen, die auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten) für die behauptete Einwilligung auch ein Anscheinsbeweis denkbar sei. Es liegt jedoch gerade im Wesen der Unfallmanipulation, dass die Möglichkeit bzw. die Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Schadensereignisses offen bleiben soll. Damit wäre – so der BGH bereits in seinen Entscheidungen aus dem Jahr 1977 – die Entkräftung eines etwaigen Anscheins gewissermaßen "eingebaut". Seit 1988 lehnt der BGH diese Konstruktion zum Nachweis der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls deshalb ab. Das ist auch richtig so, weil es für die Anwendung des Anscheinsbeweises bei gestellten Unfällen schlicht keine tragfähige dogmatische Grundlage und kein praktisches Bedürfnis gibt. Es existiert nämlich kein Anscheinsbeweis für individuelle Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen, weil in diesem Bereich keine durch die Lebenserfahrung gesicherte Typizität menschlichen Verhaltens und seiner Begleitumstände auszumachen ist. Das gilt auch für "gestellte Unfälle", weil es hier nämlich auch keine Typizität, d.h. keinen fest umrissenen Sachverhalt im Sinne eines "typischen Geschehensablaufes", gibt und einfach zu viele Varianten einer Unfallmanipulation denkbar sind. Zudem bedarf es der Konstruktion des Anscheinsbeweises in diesen Fällen auch nicht, weil die Feststellung der Einwilligung auch im Wege des Indizienbeweises möglich ist.
Mangels eines Geständnisses der unfallbeteiligten Fahrer ist die Haftpflichtversicherung in diesen Fällen auf eine Beweisführung nach den Regeln des Indizienbeweises angewiesen. Der Einwilligungsnachweis ist bereits dann geführt, wenn sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten feststellen lässt, was sich aus einer ungewöhnlichen Häufung von Umständen und Beweiszeichen ableiten lässt, die in ihrer Gesamtschau auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten. Voraussetzung der durch Indizien gewonnenen Überzeugungsbildung ist keine mathematisch lückenlose Gewissheit – insoweit dürfen die Anforderungen an den Indizienbeweis nicht überspannt werden –, vielmehr ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit ausreichend, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Unerheblich ist dabei, ob die deliktstypischen Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden können. Ausschlaggebend ist vielmehr eine Gesamtwürdigung, bei der aus einer Indizienkette auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann. Entscheidend ist nicht, dass bestimmte oder nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden, sondern im Rahmen der Gesamtwürdigung kommt es immer auf die Werthaltigkeit der vorliegenden Indizien und eine vernünftige Gewichtung an.
Typische Beweisanzeichen für ein manipuliertes Unfallgeschehen können sich aus
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dem Unfallhergang, |
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der Art der Schäden, |
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der Art der beteiligten Fahrzeuge, |
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dem Anlass der Fahrt, |
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fehlender Kompatibilität, |
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persönlichen Beziehungen oder |
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den wirtschaftliche Verhältnissen der Beteiligten |
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Ist das Fahrverhalten der Unfallbeteiligten technisch und verkehrspsychologisch nicht nachvollziehbar und steht es im Widerspruch zu einer üblicherweise sonst im Straßenverkehr zur Abwendung einer Kollision einzuleitenden Gefahrabwehrmaßnahmen, spricht die Unfallkollisionskonstellation für einen gestellten Verkehrsunfall. Der Annahme eines manipulierten Unfalls steht nicht entgegen, dass sich anhand der Feststellungen bzw. dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht sicher feststellen lässt, ob sich die Unfallbeteiligten vor dem Unfallereignis bereits gekannt haben.
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