" … II. Zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gehört die substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2017 – 1 BvR 1780/17). Dem genügt der Antrag in mehrfacher Hinsicht nicht."
1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nach dem auch im Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG zu beachtenden Grundsatz der Subsidiarität nur in Betracht, wenn zuvor alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.10.2013 – 2 BvQ 42/13; BVerfG, Beschl. v. 24.3.2014 – 1 BvQ 9/14). Eine solche Möglichkeit ist den vom Verhüllungsverbot nach § 23 Abs. 4 S. 1 StVO betroffenen Kraftfahrzeugführern eröffnet, wenn sie der Auffassung sind, diese unmittelbar geltende verordnungsrechtliche Pflicht verstoße gegen ihre Grundrechte. Sie können vor den Verwaltungsgerichten auf eine entsprechende Feststellung klagen und in diesem Zusammenhang auch um vorläufigen Rechtsschutz ersuchen (vgl. hierzu BVerfGE 115, 81, 95 f.; BVerfGK 1, 107, 109; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 123 Rn 35). Die ASt. zeigt nicht auf, dass sie diesen Rechtsweg ausgeschöpft hat.
2. Zu den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gehört ferner, dass sich der Antrag in der Hauptsache nicht als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist (vgl. BVerfGE 89, 38, 44; 118, 111, 122; 130, 367, 369; st. Rspr.). Deswegen bedarf es auch insoweit entsprechender Darlegungen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.8.2015 – 1 BvQ 28/15; BVerfG, Beschl. v. 27.11.2015 – 2 BvQ 43/15; BVerfG, Beschl. v. 20.12.2017 – 2 BvQ 86/17).
Dem Antrag ist nicht zu entnehmen, dass eine Verfassungsbeschwerde den Begründungsanforderungen nach §§ 23 Abs. 1 S. 2, 92 BVerfGG genügte (vgl. dazu BVerfGK 20, 327, 329). Insb. setzt sich die ASt. nicht ansatzweise mit der Frage aus einander, inwieweit das für Kraftfahrzeugführer gem. § 23 Abs. 4 S. 1 StVO geltende Verhüllungsverbot ihre Glaubensfreiheit auch mit Rücksicht auf etwaige widerstreitende Grundrechte Dritter oder Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang verletzen könnte (vgl. BVerfGE 93, 1, 21; 108, 282, 297; 138, 296, 333, Rn 98). Hierzu hätte es einer Auseinandersetzung mit dem Ziel dieses Verbots bedurft, die Feststellbarkeit der Identität von Kraftfahrzeugführern bei automatisierten Verkehrskontrollen zu sichern, um diese bei Rechtsverstößen heranziehen zu können (vgl. BR-Drucks 556/17, S. 2, 14). Dies gilt umso mehr, als eine effektive Verkehrsüberwachung wie auch die Gewährleistung der ungehinderten Rundumsicht von Kraftfahrzeugführern dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer dient. Die ASt. beschränkt sich hingegen auf die weder von ihr belegte noch überhaupt nachvollziehbare Behauptung, auch Frauen mit einem Gesichtsschleier könnten bei automatisierten Verkehrskontrollen identifiziert werden.
3. Die ASt. hat es schließlich versäumt, zumindest im Sinne einer Plausibilitätskontrolle nachprüfbar und individualisiert (vgl. BVerfGE 106, 351, 357; BVerfGK 7, 188, 192) darzulegen, dass ihr durch die Pflicht nach § 23 Abs. 4 S. 1 StVO ein schwerer Nachteil i.S.d. § 32 Abs. 1 BVerfGG entsteht. Dabei ist zu beachten, dass die insofern gestellten Anforderungen für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG nochmals strenger sind, wenn der Vollzug einer Rechtsnorm ausgesetzt werden soll (vgl. BVerfGE 6, 1, 4; 64, 67, 69; 81, 53, 54).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.“
zfs 4/2018, S. 230 - 231