Die Begründung des BGH überzeugt mich nicht. Die Entscheidung hat ganz erhebliche praktische Bedeutung.

1. Die Argumentation des BGH

Ob ein Kostenfestsetzungsverfahren über den prozessualen Kostenerstattungsanspruch dann noch zulässig ist, wenn der Erstattungsberechtigte dieselbe Kostenposition zunächst als materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch im Klagewege erfolglos geltend gemacht hat, ist umstritten: Nach überwiegender Auffassung in Rspr. und Literatur steht die rechtskräftige Abweisung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs einer prozessualen Kostenerstattung nicht entgegen, so OLG Koblenz JurBüro 1992, 475 mit Anm. Mümmler = zfs 1992, 279 und JurBüro 2009, 259; LAG Berlin BRAGOreport 2002, 125 (Hansens) = NZA-RR 2002, 98; OLG München NJW-RR 1997, 1294; OLG Bamberg JurBüro 1971, 88. Gegenteiliger Auffassung sind nur das OLG Frankfurt JurBüro 1983, 283 mit Anm. Mümmler und wohl auch das OLG Nürnberg MDR 1977, 936. Nach Auffassung des BGH hier ist in einem solchen Fall die Geltendmachung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs im Kostenfestsetzungsverfahren dann unzulässig, wenn in der vorangegangenen Klage die vorgebrachten Gründe nicht ausreichend gewesen seien, den materiell-rechtlichen Anspruch zu stützen und die Anspruchsvoraussetzungen im Kostenfestsetzungsverfahren für den Erstattungsberechtigten nicht günstiger sind.

Die vom BGH aufgestellten Voraussetzungen haben hier m.E. nicht vorgelegen. Das LG hatte angeführt, die Einholung des Privatgutachtens während des selbstständigen Beweisverfahrens beruhe allein auf der freien Willensentschließung des Kl. Dies ist jedoch nicht geeignet, den prozessualen Kostenerstattungsanspruch zu Fall zu bringen. Denn dies gilt – mit Ausnahme von Gerichtskosten – für praktisch jede Kostenposition, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird. Die Anwaltskosten beruhen auf der freien Willensentschließung der erstattungsberechtigten Partei, einen Anwalt mit der Prozessführung zu beauftragen. Dies gilt selbst in Verfahren mit Anwaltszwang, weil die Partei ja nicht gezwungen ist, sich anwaltlich vertreten zu lassen; es ergeht dann lediglich ein Versäumnisurteil gegen sie. Auch die Beauftragung eines Privatgutachters beruht auf der freien Willensentschließung der erstattungsberechtigten Partei. Gleichwohl können in vielen Fällen Privatgutachtenkosten erstattungsfähig sein.

Mit der Begründung, die Privatgutachtenkosten seien nicht mehr adäquat kausal auf die Mängel des Werkes zurückzuführen, hat das LG die Kausalität zwischen Pflichtverletzung des Bekl. (Werkmangel) und Schaden des Kl. (Privatgutachtenkosten) verneint. Auf diese Frage kommt es jedoch im Kostenfestsetzungsverfahren für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch überhaupt nicht an. Ob (auch) Privatgutachtenkosten notwendig i.S.v. § 91 ZPO sind, richtet sich vielmehr nach st. Rspr. des BGH danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte; dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. BGH RVGreport 2006, 315 (Hansens); RVGreport 2008, 191 (ders.). Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Kosten auslösende Maßnahme veranlasst wurde (vgl. BGH AGS 2003,178 und RVGreport 2006, 315; BPatGE 51, 114, 118). In Anwendung der Entscheidung des VI. ZS des BGH, zfs 2012, 284 ff. m. Anm. Hansens wären hier die Privatgutachtenkosten des Kl. wohl notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO und damit erstattungsfähig gewesen. Mit keiner dieser vorstehenden Fragen hatte sich das LG in seinem Urt. befasst. Maßgeblich waren für das LG lediglich Fragen des Schadensersatzrechts, die wiederum für das Kostenfestsetzungsverfahren keine Rolle spielen.

2. Praktische Auswirkungen

Nach der h.A. in Rspr. und Literatur war es bisher relativ unproblematisch, den Anspruch auf Kostenerstattung zunächst auf materielles Recht zu stützen und im Klagewege zu verfolgen. Wurde die Klage dann abgewiesen, so konnten die Kosten als prozessualer Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden. Diesen Weg hat der BGH mit seiner Entscheidung praktisch verbaut. Dies führt zu ganz erheblichen praktischen Problemen. Der Kl. weiß nämlich bei Erhebung seiner Schadensersatzklage nicht, mit welcher Begründung das Prozessgericht sie im Falle ihres Misserfolgs abweisen wird. Verneint das Gericht einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, so ist nach der vom BGH vorgenommenen weiten Auslegung die erneute Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs im Kostenfestsetzungsverfahren praktisch ausgeschlossen. Der Kl. kann dann das Kostenfestsetzungsverfahren nur dann betreiben, wenn das Prozessgericht seine Klageabweisung auf verfahrensrechtliche Gründe gestützt hat.

Die umgekehrte Verfahrensweise ist noch weniger Erfolg versprechend. Ist nämlich die Festsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren rechtskräftig abge...

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