ZPO § 91 Abs. 1 § 103 ff.
Leitsatz
Eine prozessuale Kostenerstattung von zuvor auf materiell-rechtlicher Grundlage erfolglos eingeklagten Kosten eines Privatgutachters scheidet aus, wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch mit der Begründung abgewiesen worden ist, mit der der Anspruch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird.
BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – VII ZB 95/09
Sachverhalt
Der Kl. hatte wegen Baumängeln ein Privatgutachten eingeholt. Sodann betrieb er wegen dieser Mängel ein selbstständiges Beweisverfahren. Mit den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen in seinem Gutachten war der Kl. nicht uneingeschränkt einverstanden. Er beauftragte deshalb einen weiteren Privatgutachter, um das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen überprüfen zu lassen. Hieraufhin erhob der Kl. vor dem LG Klage, in der er neben einem Anspruch auf Kostenvorschuss für die Beseitigung der Baumängel auch Ersatz der Privatgutachtenkosten für das letztgenannte Privatgutachten forderte. Das LG hat den Vorschussanspruch zuerkannt, die Klage auf Ersatz der Privatgutachtenkosten hingegen abgewiesen. Dies hat das LG damit begründet, die Einholung des in dieser Sache dritten Gutachtens beruhe allein auf der freien Willensentschließung des Kl. und sei nicht mehr adäquat kausal auf die Mängel des Werkes zurückzuführen. Aufgrund der teilweise zu seinen Gunsten ergangenen Kostenentscheidung des zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Beschlusses des LG beantragte der Kl. nunmehr die Festsetzung der Kosten für das während des selbstständigen Beweisverfahrens eingeholten Privatgutachtens i.H.v. 1.657,09 EUR. Die Rechtspflegerin des LG hat die Festsetzung abgelehnt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG Köln RVGreport 2010, 268 (Hansens) = AGS 2010, 43 zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Kl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[4] 1. Das Beschwerdegericht lehnt eine Erstattung der Privatgutachterkosten im Kostenfestsetzungsverfahren ab. Zwar sei eine prozessuale Kostenerstattung nicht erschöpfend und lasse deshalb grds. Raum für ergänzende sachlich-rechtliche Ansprüche auf Kostenerstattung, die neben die prozessuale Kostenerstattung treten und dieser sogar entgegengerichtet sein könnten. Allerdings könne der einer prozessualen Kostenentscheidung zugrunde liegende Sachverhalt nach der Rspr. des BGH nur dann erneut zur Nachprüfung gestellt und in seinen kostenrechtlichen Auswirkungen materiell-rechtlich anders beurteilt werden, wenn zusätzliche Umstände hinzugetreten seien, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden konnten. Bereits aus dem Gedanken der Rechtskraft folge, dass eine getroffene prozessuale Kostenentscheidung in einem selbstständigen Verfahren weitere sachlich-rechtliche Ansprüche ausschließe. Bei Anwendung dieser Grundsätze sei der Kl. in dem hier zu beurteilenden umgekehrten Fall gehindert, den ihm im Erkenntnisverfahren versagten Anspruch auf Erstattung von Privatgutachterkosten nun im Wege der Kostenfestsetzung zu realisieren.
[5] 2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
[6] Der Kl. kann die Privatgutachterkosten nicht mehr im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen, weil der eingeklagte materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch mit der Begründung abgewiesen worden ist, mit der er nunmehr im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird.
[7] a) In der obergerichtlichen Rspr. und im Schrifttum wird verbreitet die Auffassung vertreten, die rechtskräftige Abweisung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs stehe einer prozessualen Kostenerstattung nicht entgegen (vgl. OLG Koblenz MDR 2009, 471 f, JurBüro 1992, 475 f.; LAG Berlin MDR 2002, 238 f.; OLG München NJW-RR 1997, 1294, MDR 1976, 846; OLG Bamberg JurBüro 1971, 88 f.; Musielak/Wolst, ZPO, 8. Aufl., vor § 91 Rn 17 a.E.; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn 1; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., vor § 91 Rn 11; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., vor § 91 Rn 13; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., Vorbem. § 91 Rn 16; Becker-Eberhard, JZ 1995, 814, 816; Mümmler, JurBüro 1983, 284; a.A. wohl OLG Nürnberg MDR 1977, 936 f.; OLG Frankfurt JurBüro 1983, 283 f.). Begründet wird diese Ansicht insb. damit, dass die Voraussetzungen von materiell-rechtlichen und prozessualen Kostenerstattungsansprüchen nicht identisch seien (vgl. dazu auch BGH BGHZ 111, 168, 170 f.), weswegen der Abweisung des materiell-rechtlichen Anspruchs keine präjudizielle Wirkung für die prozessuale Kostenerstattung zukomme.
[8] b) Der BGH vertritt in st. Rspr. für den umgekehrten Fall des Verhältnisses der prozessualen zur materiell-rechtlichen Kostenerstattung die Ansicht, dass eine prozessuale Kostenentscheidung grds. nicht erschöpfend ist, sondern Raum für die Durchsetzung materiell-rechtlicher Ansprüche auf Kostenerstattung – etwa aus Vertrag, Verzug oder unerlaubter Handlung – lasse (vgl. BGHZ 45, 251, 257; NJW-RR 1995, 495; AGS 2002, 98 sowie zfs 2011, 567). Ein materiell-rechtlicher Anspruch kan...