AUB 94 § 8; AUB 08 Nr. 3; ZPO § 286
Leitsatz
Der Unfallversicherer hat den Vollbeweis i.S.v. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO dafür zu erbringen, dass Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen (hier dem Tod des VN) zu mindestens 25 % mitgewirkt haben.
BGH, Urt. v. 23.11.2011 – IV ZR 70/11
Sachverhalt
Die Kl. begehrt als Bezugsberechtigte von der Bekl. die Todesfallleistung aus einer Unfallzusatzversicherung, die ihr am 6.2.2004 verstorbener Ehemann i.V.m. einer Risikolebensversicherung abgeschlossen hatte.
Dem Versicherungsvertrag liegen die BB-UZV zu Grunde. Diese bestimmen in § 4:
"Haben zur Herbeiführung des Todes bzw. der Erwerbsunfähigkeit neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen zu mindestens 25 Prozent mitgewirkt, so vermindert sich unsere Leistung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung."
Am 26.1.2004 führte der Ehemann der Kl. in einem Betrieb Elektroarbeiten aus. Die Kl. behauptet, ihr Ehemann habe während der Montage aus einem Schaltschrank ein Kabel heruntergezogen und sei damit an mindestens eine Phase gelangt, wodurch ein Kurzschluss ausgelöst worden sei. Der dabei erlittene Stromschlag sei Ursache für den Tod ihres Ehemannes gewesen, dessen Gesundheitszustand sich nach dem Stromunfall erheblich verschlechtert habe. In einem für die Berufsgenossenschaft erstellten pathologischen Gutachten v. 21.6.2004 wurden aufgrund einer Obduktion v. 9.2.2004 eine hochgradig stenosierende Koronararteriosklerose aller drei Herzgefäße als Grundleiden und frische subendokardiale Myocardinfarkte der Hinterwand und der Seitenwand des linken Ventrikels beschrieben; als Todesursache wurde ein protrahiertes Herz-Kreislauf-Versagen bei Koronarinsuffizienz angegeben.
Die Bekl. lehnte Leistungen aus der Unfallzusatzversicherung ab, weil der Tod des Ehemannes der Kl. nicht auf einen Unfall, sondern auf die bestehende schwere Herzkrankheit zurückzuführen sei.
2 Aus den Gründen:
[7] "… Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurt. und zur Zurückverweisung der Sache an das BG."
[8] I. Dieses hat es ebenso wie das LG für erwiesen erachtet, dass der Tod des Ehemannes der Kl. durch einen am 26.1.2004 erlittenen Stromunfall mitverursacht worden sei. Die Kl. habe den Vollbeweis dafür erbracht, dass ihr Ehemann am 26.1.2004 einen Stromschlag erlitten habe, bei dem Strom durch seinen Körper und sein Herz geflossen sei und der zu einer Gesundheitsbeschädigung in Form einer Rhythmusstörung des Herzens geführt habe. Dass diese Gesundheitsbeschädigung den Tod zumindest mitverursacht habe, sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
[9] Die von der Bekl. geschuldete Todesfallleistung vermindere sich allerdings nach § 4 BB-UZV auf die Hälfte, weil nach der Beweisaufnahme von einer 50 %-igen Mitwirkung der Vorerkrankung einer Koronararteriosklerose aller drei Herzgefäße am Tod des VN auszugehen sei. Die Beweislast für die Mitwirkung anderer Ursachen treffe den VR, wobei das Beweismaß nicht § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO, sondern § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO entnommen werden müsse, weil es ebenso um die Unfallfolgen, also die haftungsausfüllende Kausalität gehe wie bei der vom VN zu beweisenden Tatsache, dass der Unfall mitursächlich gewesen sei. Für die tatrichterliche Überzeugungsbildung reiche deshalb eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen, dass die Vorerkrankung in kausalem Zusammenhang mit der Unfallfolge stehe. Das sei hier anzunehmen. …
[11] II. Die Ausführungen des BG zur Mitwirkung der Vorerkrankung halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[12] 1. Zu Gunsten der Kl. ist die Feststellung des BG zugrunde zu legen, dass ihr Ehemann am 26.1.2004 einen Stromschlag erlitt, der zu einer Gesundheitsbeschädigung in Form einer Herzrhythmusstörung führte, die den Tod des VN zumindest mitverursachte.
[13] 2. Die weitere Feststellung des BG, die Vorerkrankung des Ehemannes der Kl. eine Koronararteriosklerose aller drei Herzgefäße habe zu 50 % an seinem Tod mitgewirkt, beruht auf einem fehlerhaften Ausgangspunkt. Das BG hat das Beweismaß für das Leistungskürzungsrecht des Unfallversicherers bei der Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen verkannt.
[14] a) Im Ansatz zutreffend ist das BG davon ausgegangen, dass die Beweislast für die Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen bei dem Unfallversicherer liegt (OLG Koblenz, Urt. v. 18.6.2010 – 10 U 1014/09, juris Rn 46 m.w.N., die Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Parallelverfahren wurde durch Senatsbeschl. v. 14.9.2010 – IV ZR 156/10 – zurückgewiesen … ). Dies war bislang schon einhellige Auffassung und ist nunmehr in § 182 VVG gesetzlich normiert ( … BT-Drucks 16/3945 S. 108). Nicht nur nach der Intention des Reformgesetzgebers, sondern auch nach bislang unangefochtener Ansicht erstreckt sich die Beweislast des VR auf den Nachweis, dass der Mitwirkungsanteil mindestens 25 % entspricht … Liegt der Mitwirkungsanteil darunter, so unterbleibt eine Minderung.
[15] b) Entgegen der Ansicht des BG hält die herrschende...