B-BUZ § 1 § 2 § 7
Leitsatz
1. Eine von der gesetzlichen Rentenversicherung getragene, auf höchstens sechs Monate angelegte Beschäftigungsmaßnahme zur Wiedereingliederung des berufsunfähigen VN an seiner bisherigen Arbeitsstelle ist keine die frühere Lebensstellung wahrende Verweisungstätigkeit im Rahmen einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung.
2. Sehen die Bedingungen einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung nur die Möglichkeit einer konkreten Verweisung vor, so kann der berufsunfähige VN auch dann nicht verwiesen werden, wenn er die von ihm aufgenommene andere Tätigkeit nach seinen gesundheitlichen Verhältnissen zwar vollschichtig ausüben könnte, sie tatsächlich aber nur in einem so geringen Umfang verrichtet, dass er eine die bisherige Lebensstellung wahrende Vergütung nicht erzielt.
OLG Nürnberg, Urt. v. 23.2.2012 – 8 U 607/11
Sachverhalt
Der Kl. hatte am 22.1.2007 eine Wiedereingliederungsmaßnahme als Produktionsarbeiter bei seiner bisherigen Arbeitgeberin, der Fa. V, begonnen. Im Rahmen dieser von der DRV getragenen Maßnahme arbeitete er zunächst zwei Stunden täglich, dann vier Stunden, schließlich im Mai 2007 an einem einzigen Tag sechs Stunden; der Kl. erhielt hierbei ein Überbrückungsgeld von 700 oder 800 EUR. Unter dem 29.6.2007 erteilte die DRV dem Kl. den Bescheid: "Die stufenweise Wiedereingliederung gilt mit dem 31.5.2007 als abgebrochen". Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Auffassung der DRV in der Zeit bis zum 21.7.2007 nicht mehr mit dem Erreichen der vollen Arbeitsfähigkeit von acht Stunden zu rechnen sei, der Erfolg der Maßnahme sei somit ausgeschlossen. Außerhalb dieser Maßnahme arbeitete der Kl. bei derselben Arbeitgeberin – weiterhin als Produktionsarbeiter – sodann ab Juni 2007 drei Stunden täglich, wobei er einen Verdienst von rund 300 EUR monatlich netto erzielte, während er vor dem Unfall v. 18.8.2005, der zur Anerkennung der Leistungspflicht der Bekl. aus der streitgegenständlichen Versicherung mit Schreiben v. 30.5.2006 geführt hatte, für seine Berufstätigkeit mit netto monatlich 900 EUR bis 1.050 EUR entlohnt worden war. Zum 31.3.2009 wurde dem Kl. von seiner Arbeitgeberin mit Zustimmung des Integrationsamts gekündigt.
2 Aus den Gründen:
"… II. … 2. Allerdings ist die Bekl. nicht gehindert, mit einer anderen Begründung ein neues Nachprüfungsverfahren einzuleiten, sie kann dies auch während eines Prozesses über die zuerst gegebene Begründung tun, aber nur mit erneuter Mitteilung und nur mit Wirkung für die Zukunft …"
Eine derartige erneute Einstellung kann in dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Bekl. v. 28.6.2010 gesehen werden; eine Leistungseinstellung käme danach allerdings frühestens zum 1.8.2010 in Betracht. Jedoch beruft sich die Bekl. hierbei schon zu Unrecht auf eine bedingungsgemäße Verweisungstätigkeit des Kl.. Entgegen dem Berufungsvorbringen, das den von der Bekl. gemeinten zeitlichen Bezug der Verweisung klarstellt, wurde eine Verweisungstätigkeit durch den Kl. von Januar 2007 bis 31.3.2009 nicht ausgeübt.
Die Vertragsbedingungen sehen in § 7 vor, dass nach Anerkennung der Leistungspflicht die Bekl. berechtigt ist, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Dabei kann erneut geprüft werden, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer Lebensstellung bei Eintritt der Berufsunfähigkeit entspricht. Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 Prozent vermindert, werden die Leistungen eingestellt. § 2 der Vertragsbedingungen definiert, dass vollständige Berufsunfähigkeit vorliegt, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls außer Stande ist, ihrem vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt ausgeübten Beruf nachzugehen und sie auch keine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Auf die abstrakte Verweisung wird ausdrücklich verzichtet. Als eine der Ausbildung und Erfahrung sowie der bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit wird nach Abs. 4 des § 2 nur eine solche Tätigkeit angesehen, die keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung und Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau der bislang ausgeübten Tätigkeit absinkt.
Nach diesem Maßstab konnte der Kl. auf die von Ende Januar bis Ende Mai 2007 ausgeübte Tätigkeit bei der Fa. V schon deshalb nicht verwiesen werden, weil es sich hierbei nicht um eine normale Beschäftigung auf dem freien Arbeitsmarkt, vergütet von einem Arbeitgeber, handelte. Die genannte Beschäftigung war eine stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme zulasten der DRV. Tätigkeiten im Rahmen von Wiedereingliederungsmaßnahmen sollen arbeitsunfähige Versicherte nach länger andauernder schwerer Erkrankung schrittweise an die volle Arbeitsbelastung am bisherigen Arbeitsplatz heranführen und so den Übergang zur vollen Berufstätigkeit er...