BGB § 249
Leitsatz
Der Geschädigte muss vor der Entscheidung, ob er den unfallgeschädigten Pkw reparieren lässt oder auf Gutachtenbasis abrechnet, von der Haftpflichtversicherung des Schädigers über eine alternative Reparaturmöglichkeit in einer nicht markengebundenen Werkstatt darüber nachvollziehbar unterrichtet werden, dass es sich bei der empfohlene Referenzwerkstatt um einen Betrieb handelt, der den Standard einer markengebundenen Fachwerkstatt zuverlässig Gewähr leistet.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 12.11.2010 – 816 C 266/09
Sachverhalt
Der Kl. rechnete nach einem Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Bekl. in voller Höhe eintrittspflichtig ist, auf Gutachtenbasis unter Zugrundelegung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt ab. Die Bekl. legte einen Prüfbericht der DEKRA vor, der niedrigere Stundenverrechnungssätze eines nicht näher bezeichneten Referenzbetriebes aufführte, bei dem es sich um eine Kfz-Meisterwerkstatt handeln sollte, die auf Karosserie- und Lackierarbeiten spezialisiert sei. Das AG hielt diese Verweisung für unzureichend und legte der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Werkstatt zu Grunde.
2 Aus den Gründen:
"Dem Kl. steht ein Anspruch auf Ersatz der von ihm geltend gemachten weiteren Reparaturkosten nach Maßgabe der üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt … zu. Soweit die Bekl. einwendet, die nach dem … vorgelegten Prüfbericht der DEKRA ermittelten und von der Bekl. auch schon ersetzten Kosten i.H.v. 1.031,65 EUR seien zur Schadensbeseitigung ausreichend, bleibt dies ohne Erfolg."
Zu Unrecht beruft sich die Bekl. auf das Urt. des BGH v. 30.10.2009 (NJW 2010, 606 ff.). Dabei kann dahinstehen, ob die von der Bekl. vorgerichtlich mitgeteilten alternativen Reparaturmöglichkeiten in den genannten freien Werkstätten in qualitativer Hinsicht mit einer markengebundenen Fachwerkstatt vergleichbar sind. Denn jedenfalls hat die Bekl. dem Kl. diese alternativen Reparaturmöglichkeiten nicht rechtzeitig in der erforderlichen Form nachgewiesen. Nach der st. Rspr. muss eine alternative Reparaturmöglichkeit “mühelos und ohne weiteres zugänglich' sein. Natürlich muss der Geschädigte rechtzeitig vor seiner Entscheidung, ob und ggf. wie er sein Fahrzeug reparieren lässt, in angemessener Weise über die alternative Reparaturmöglichkeit informiert worden sein. Diese muss ihm rechtzeitig in der Weise nachgewiesen worden sein, dass er aus dem Nachweis erkennen kann, dass es sich um eine echte Alternative handelt. Denn von dem Geschädigten kann nicht verlangt werden, dass er zunächst selbst recherchieren und prüfen muss, dass es sich bei der genannten freien Werkstatt im Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Qualität um einen Betrieb handelt, der den Standard einer markengebundenen Fachwerkstatt zuverlässig Gewähr leistet. Vielmehr muss dies für ihn aus den übersandten Unterlagen bereits nachvollziehbar erkennbar sein. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte seinen Schaden schließlich “nur' fiktiv abrechnet.
Diesen Anforderungen genügt der von der Bekl. … vorgelegte Prüfbericht der DEKRA … nicht annähernd. In dem Schreiben der DEKRA werden lediglich die “Stundeverrechnungssätze eines Referenzbetriebes' genannt, bei dem es sich um eine Kfz-Meisterwerkstatt handeln soll, die auf Karosserie- und Lackierarbeiten spezialisiert sei. Allem Anschein nach handelt es sich bei diesen Ausführungen um einen Textbaustein ohne konkreten Bezug. So ist nicht einmal ersichtlich, auf welchen der beiden auf der Folgeseite genannten Betriebe sich dies eigentlich beziehen soll. (So) heißt es lediglich, dass “diese Betriebe … eine sach- und fachgerechte sowie qualitativ hochwertige Reparatur nach Herstellervorgaben' Gewähr leisten würden. Begründet oder auch nur erläutert wird diese Behauptung aber in keiner Weise.“
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Bernhard J. Hänel, Hamburg
3 Anmerkung
Der Verweis auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt ist u.a. nur dann möglich, wenn diese auch mühelos und ohne weiteres zugänglich ist (vgl. BGH zfs 2010, 143; BGH zfs 2010, 494 und 497; BGH DAR 2010, 512).
Als Fragen der Zugänglichkeit wird zum einen die räumliche Erreichbarkeit angesehen (vgl. AG Frankfurt am Main zfs 2011, 26). Zum anderen wird die Zugänglichkeit zu einer freien Werkstatt dann verneint, wenn die Preise der freien Werkstatt nur deshalb günstiger sind, weil dies auf einer Abrede zwischen der Haftpflichtversicherung und der Werkstatt beruht, die Werkstatt also nicht mehr völlig frei (in ihrer Preisgestaltung) ist (vgl. BGH a.a.O; vgl. auch Ullmann, NZV 2009, 270 ff.; ders., NZV 2010, 489, 491).
Als Frage der Zugänglichkeit der Reparaturmöglichkeit wird es auch anzusehen sein, dass dem Geschädigten bei der "Verweisung" auf die freie Werkstatt nachprüfbar die Gleichwertigkeit dieser Reparatur mit der in einer markengebundenen Werkstatt plausibel gemacht wird. Mit dem plakativen Hinweis auf Zertifizierungen, Mitgliedschaften in Fachverbänden und gar in d...