§ 19 Abs. 1 § 5
Leitsatz
1. Wird in einem Maklerfragebogen nur bei einigen Fragen auf den VR Bezug genommen, so ist nicht davon auszugehen, dass dem VN erkennbar ist, der VR mache sich auch die übrigen zu Eigen.
2. Eine ordnungsgemäße Belehrung setzt voraus, dass auf die Möglichkeit des rückwirkenden Wegfalls des Versicherungsschutzes bei Geltendmachung des Vertragsänderungsrechts hingewiesen wird.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Dortmund, Urt. v. 2.1.2013 – 2 O 213/12
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Frage, ob ein zwischen den Parteien geschlossener Krankenversicherungsvertrag fortbesteht. Der Vertrag wurde durch den Zeugen A vermittelt, mit dem der Kl. einen Maklervertrag geschlossen hatte. Auf Seite 2 des von dem Zeugen A verwandten Antragsformulars v. 20.11.2009 findet sich oberhalb der Gesundheitsfragen der Hinweis: "Bitte beantworten Sie diese wahrheitsgemäß und vollständig. Die Verletzung der Anzeigepflicht kann z.B. dazu führen, dass Sie keinen Versicherungsschutz haben, der VR den Vertrag kündigt, zurücktritt oder anfechtet. Beachten Sie hierzu bitte die Erläuterungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht/Hinweise auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung. … "
Die Gesundheitsfragen sind im Wesentlichen von dem Kl. verneint worden, auch diejenige nach Krankheiten und Beschwerden in den letzten 5 Jahren. Lediglich in der Gesundheitsfrage 6.3., die sich mit zahnprothetischen Behandlungen des Kl. in der Vergangenheit befasst, ist die Bekl. namentlich genannt.
Oberhalb der Unterschriftszeile sind die Felder "Ergänzende Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht habe ich mittels Datenübertragung erhalten" angekreuzt.
In einer auf einem gesonderten Blatt befindlichen "Ergänzenden Mitteilung zum Antrag für Kranken-, Pflege-, Lebens- und Unfallversicherung", deren Empfang durch den Kl. zwischen den Parteien streitig ist, heißt es unter "3. Vertragsänderung" wie folgt:
"Kann der VR nicht zurücktreten oder kündigen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen geschlossen hätte, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des VR Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil. Wenn Sie die Anzeigepflicht schuldlos verletzt haben, steht dem VR das Recht zur Vertragsänderung nicht zu."
Der Kl. reichte bei der Bekl. einen Heil- und Kostenplan des Zahnarztes T v. 2.12.2011 für die Anfertigung eines Zahnersatzes ein. Mit Schreiben v. 19.12.2011 stellte die Bekl. Nachfragen bei Herrn T. Dieser antwortete mit Schreiben v. 23.1.2012, dass der Kl. unter Borreliose leide und erst nachdem die Krankheit überstanden und sichergestellt sei, dass der Heil- und Kostenplan durchgeführt werden könne, er das Versicherungsschreiben ausfülle.
Mit Schreiben v. 9.3.2012 trat die Bekl. vom Vertrag mit der Begründung zurück, dass der Kl. Behandlungen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 wegen Bronchitis, Sinusitis, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen und Borreliose nicht angegeben habe. …
2 Aus den Gründen:
" … II. Das zwischen den Parteien geschlossene Vertragsverhältnis ist nicht durch den Rücktritt der Bekl. beendet worden, da der Bekl. ein Rücktrittsrecht nicht zustand. Der Bekl. stand ein Rücktrittsrecht nicht zu, da es zum Einen an den erforderlichen Gesundheitsfragen des VR fehlt, zum Anderen liegt keine ordnungsgemäße Belehrung über die Folgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung vor.
1. Nach § 19 Abs. 2 VVG kann der VR vom Vertrag zurücktreten, wenn der VN seine Anzeigepflicht nach Abs. 1 verletzt hat. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG hat der VN bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des VR, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der VR in Textform gefragt hat, dem VR anzuzeigen. Voraussetzung für eine Anzeigepflicht des VN ist demnach, dass Fragen des VR vorliegen, da – anders als nach altem Recht (§§ 16 f. VVG a.F.) – keine spontane Anzeigepflicht mehr besteht.
Vorliegend sind die Gesundheitsfragen nicht von der Bekl., sondern von dem Zeugen A als Makler gestellt worden. Nach der Rspr. des OLG Hamm (VersR 2011, 469 ff.), der sich die Kammer … (r + s 2012, 426 ff.) angeschlossen hat, sind Fragen eines Interessenverwalters und rechtsgeschäftlichen Vertreters des VN den Fragen des VR grds. nicht gleichzustellen, da dies letztlich eine Wiedereinführung der spontanen Anzeigepflicht bedeuten würde. Die Annahme von Fragen des VR – trotz Stellung durch einen Makler – kommt nur dann in Betracht, wenn sich der VR die Fragen des Maklers “zu Eigen macht’. Für ein “zu Eigen machen’ reicht es, wie die Kammer bereits … ausgeführt hat, nicht aus, dass die Fragen inhaltlich auf den VR zurückgehen, sondern es ist vielmehr erforderlich, dass das Zurückgehen auf den VR auch für den VN erkennbar ist (vgl. auch Karczewski, r + s 2012, 521, 524). Denn würde man das inhaltliche Zurückgehe...