StPO § 267 Abs. 1; OWiG § 71 Abs. 1 § 74 Abs. 1 S. 2 § 79 Abs. 3 S. 1 § 80a Abs. 3 S. 1; StVO § 4 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Das von der Polizei in Bayern zur Abstandsmessung eingesetzte sog. Brücken-Abstandsmessverfahren (VAMA) erfüllt alle Kriterien für die Einordnung als standardisiertes Messverfahren. Als “standardisiert’ ist damit nicht nur der mit Hilfe der Messanlage erfolgende Messvorgang selbst, sondern auch die anschließende Auswertung der gewonnenen Messaufnahmen zu qualifizieren, wobei unerheblich ist, ob diese Auswertung automatisiert oder auf sonstige Weise stattfindet.
2. Ist in den Gründen des Bußgeldurteils eindeutig und zweifelsfrei festgestellt, dass die dem Betr. vorgeworfenen Geschwindigkeits- und Abstandswerte mit Hilfe des Brücken-Abstandsmessverfahrens (VAMA) unter Vornahme des Toleranzabzugs ermittelt wurden, ist die Mitteilung der konkreten Toleranzwerte nicht erforderlich. Denn mit der konkreten Bezeichnung des Messverfahrens ist auch der Wert der von der Innerstaatlichen Bauartzulassung der PTB geforderten systemimmanenten Toleranzen hinreichend dargetan. Es bedarf dann nicht mehr der Wiedergabe der Zeitwerte, die auf den in der Regel in den Akten befindlichen Videoprints eingeblendet sind.
OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.2012 – 3 Ss OWi 450/12
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. wegen einer als Führer eines Pkw am 12.9.2011 auf einer BAB fahrlässig begangenen Abstandsunterschreitung (§ 4 Abs. 1 S. 1 StVO) zu einer Geldbuße von 360 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen hielt der Betr. bei einer Geschwindigkeit von 133 km/h zum vorausfahrenden Fahrzeug einen Abstand von 24,38 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowerts ein. Hiergegen wendet sich der Betr. mit der Rechtsbeschwerde, deren Entscheidung der an sich berufene Einzelrichter zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. (§ 80a Abs. 3 S. 1 OWiG) dem Bußgeldsenat des OLG in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen hat. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG genügende Verfahrensrüge ist nicht erhoben. (wird ausgeführt)
2. Auch die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben. Die äußerst knappen Ausführungen des Tatrichters genügen noch den gem. § 267 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG an die Urteilsgründe zu stellenden Anforderungen. Insb. sind entgegen der Auffassung der GStA die Feststellungen und Darlegungen des Tatrichters im Rahmen der Beweiswürdigung zur Ermittlung der Geschwindigkeit des Pkw des Betr. und zu dem von diesem eingehaltenen Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug ausreichend.
a) Wie die GStA in ihrer Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, genügt, soweit sich der Schuldspruch bei einer Verurteilung auf das Ergebnis eines anerkannten standardisierten Verfahrens stützt und sich keine Anhaltspunkte für Messfehler ergeben haben, grds. die Mitteilung des Messverfahrens, des Messergebnisses und der Messtoleranz.
aa) Die Anforderungen, die von Rechts wegen an Messgeräte und -methoden gestellt werden müssen, um die grds. Anerkennung ihrer Ergebnisse im gerichtlichen Verfahren rechtfertigen zu können, dürfen nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Ziel der Sachrüge ist die Kontrolle der zutreffenden Anwendung des materiellen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt. Die Anwendung einer Rechtsnorm auf den Sachverhalt ist aber grds. nicht von der Funktionstüchtigkeit eines (standardisierten) Messgeräts oder seiner sachgerechten Handhabung abhängig. Demzufolge sind Umstände, die abweichend vom Regelfall dem Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Messungen entgegenstehen, aber in den Feststellungen keinen Niederschlag gefunden haben, nur aufgrund einer entsprechenden Verfahrensrüge der gerichtlichen Kontrolle zugänglich (BGHSt 39, 291, 297, 301 f.; Cierniak, zfs 2012, 664 f.).
bb) Der sachlich-rechtlichen Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt jedoch auch, ob objektive Grundlagen aus rationalen Gründen den mit richterlicher Überzeugung gezogenen Schluss rechtfertigen können, das festgestellte Geschehen stimme mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit überein. Die Urteilsgründe müssen deshalb wenigstens erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht (BGH NJW 1982, 2882 f.; StV 1990, 340; vgl. auch KK/Senge, OWiG 3. Aufl. § 71 Rn 81). Die Ausführungen des Urteils sind andererseits nicht Selbstzweck. Ihr Umfang richtet sich vielmehr nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage unter Berücksichtigung des Tatvorwurfs und des Verteidigungsvorbringens. Gerade im Bußgeldverfahren dürfen unter dem Gesichtspunkt der (lediglich) verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden. So...