1. Das Adhäsionsverfahren nach §§ 403 ff. StPO bietet dem durch eine Straftat Geschädigten die Möglichkeit, zivilrechtliche Schadensersatzansprüche im Rahmen des Strafverfahrens geltend zu machen. Zahlreiche vorteilhafte gesetzliche Regelungen der StPO, die von der Technik der Anspruchsbegründung im Zivilprozess zugunsten des Geschädigten abweichen, sind festzustellen:
a) Eine Bindung an zivilprozessuale Streitwertgrenzen für die Anrufung des zuständigen Gerichts besteht nicht. Das im Strafverfahren zuständige AG ist auch für verfolgte zivilrechtliche Ansprüche bei der Klärung im Adhäsionsverfahren zuständig.
Unabhängig vom Streitwert besteht kein Anwaltszwang. (§ 403 StPO).
b) Rechtshängigkeit und Verjährungshemmung treten bereits mit dem Eingang des Antrags bei Gericht und nicht erst bei der oft wesentlich später erfolgten Zustellung an den Angeklagten ein (§ 404 Abs. 2 StPO).
c) Statt des im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatzes gilt im Adhäsionsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 244 Abs. 2 StPO).
d) Der ASt. ist im Adhäsionsverfahren "Zeuge" in eigener Sache.
e) Scheitert der Adhäsionskläger mit der Verfolgung seines Anspruchs im Adhäsionsverfahren, kann er seinen angenommenen Anspruch anderweit geltend machen (§ 406 Abs. 3 S. 3 StPO).
Insgesamt vermeidet das Adhäsionsverfahren sich widersprechende Entscheidungen der Zivil- und Strafgerichte und kann zu einer Vermeidung der Doppelbefassung von Straf- und Zivilgerichten mit dem gleichen Lebenssachverhalt und dessen Beurteilung in beiden Rechtsgebieten führen. Der Übergang von dem Strafgericht, das – wie fast regelmäßig – ein Grundurteil im Adhäsionsverfahren erlassen hat, zu dem Zivilgericht erfolgt dadurch, dass die Verhandlung über den Betrag vor dem dann zuständigen Zivilgericht stattfindet.
2. Dass trotz dieser offenkundigen Vorteile des Adhäsionsverfahrens die praktische Bedeutung dieser – erleichterten Durchsetzung – zivilrechtlicher Ansprüche im Strafprozess keine messbare Bedeutung gewonnen hat, kann nur – ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit der Gründe hierfür – umschrieben werden. Nach allen hierzu veröffentlichten Statistiken (Hansen/Wolf-Rojczyk, GRUR 2009, 644, 645; Haller, NJW 2011, 970, 971; Rieß, in: Festschrift Dahs, 2005, 436, 439), besteht somit für AG eine Quote von unter 1 %, für landgerichtliche Verfahren von allenfalls 5 %.
Mochte die Wahl des Adhäsionsverfahres, die im Belieben des Geschädigten steht, noch davon abhängen, dass die verbreitete Befürchtung bestand, das Strafgericht werde von einer Entscheidung absehen, sobald die Gefahr einer Verzögerung der Erledigung bestand, ist mit der grundsätzlichen Verpflichtung des Strafgerichts, über den Adhäsionsanspruch eine Entscheidung zu fällen, dieser Befürchtung der Boden weitgehend entzogen. Scheu und mangelnde Vertrautheit mit zivilrechtlicher Fragestellung geben keinen rechtfertigenden Grund für das Absehen von einer Entscheidung hierüber ab (vgl. Hansen/Wolff-Rojzyk, a.a.O., 645; Rössner-Klaus, NJW 1996, 289). Im Zusammenhang mit dem Opferrechtsreformgesetz (vgl. dazu Neuhaus, StV 2004, 620, 626) ist der Ausstieg aus dem Adhäsionsverfahren deutlich eingeschränkt worden, bei der Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen faktisch beseitigt worden (§ 406 Abs. 1 S. 6 und Abs. 3 StPO). Auch der Ausstieg aus im Adhäsionsverfahren geltend gemachten sonstigen Schadensersatzforderungen ist in § 406 Abs. 1 S. 4 und 5 StPO deutlich erschwert worden. Grundsätzlich muss die Klärung der zivilrechtlichen Fragen im Adhäsionsverfahren eine "erhebliche" Verzögerung verursachen, wobei allerdings das Gesetz den Begriff der Erheblichkeit nicht näher definiert. Nachteilig für die Verbreitung des Adhäsionsverfahrens ist es, dass im Strafbefehlverfahren verfolgte Straftaten nicht mit einer Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche im Adhäsionsverfahren verbunden werden können (vgl. Rieß, a.a.O. S. 432 f.; Haller, NJW 2011, 970, 971). Auch bei den Formen der Einstellungen des Strafverfahrens (§§ 153, 153a, 154 StPO) ist eine Entscheidung über die aus dem Lebenssachverhalt hergeleiteten zivilrechtlichen Ansprüche im Adhäsionsverfahren nicht möglich, weil dies ein Urteil im Strafverfahren voraussetzt, in dem ein Straftäter schuldig gesprochen worden ist (§ 406 Abs. 1 S. 1 StPO).
Nicht gering zu schätzen sind auch die Rollenkonflikte aufgrund der Verbindung von Strafverfahren und damit im Adhäsionsverfahren verbundener Klärung von zivilrechtlichen Klagen (vgl. dazu Loos, GA 2006, 195, 199 ff.). Erbringt etwa der Richter bezüglich des Adhäsionsanspruchs Hinweise nach § 139 ZPO gegenüber dem Geschädigten, liegt die Gefahr nahe, dass der Beschuldigte daraus eine Befangenheit des Richters, wenn auch zu Unrecht, entnimmt. Vergleiche und Anerkenntnisse des Beschuldigten, die seit der Reform des Adhäsionsrechtes zulässig sind, wirken de facto als Schuldeingeständnisse des Beschuldigten, der sich gegen den strafrechtlichen Vorwurf verteidigt, auch wenn dogmatisch eine Trennung zwischen der Beweiswürdigung...