VV RVG Vorbem. 3 Abs. 3, Nr. 3104; ArbGG § 12a Abs. 1 S. 2 § 46 Abs. 2; ZPO § 3 § 495 § 91
Leitsatz
Besprechungen zwischen den Prozessbevollmächtigten mehrerer Beklagter ohne Beteiligung des Gegners lösen die Terminsgebühr nur dann aus, wenn dieser vorab seine grundsätzliche Bereitschaft zum Eintritt in Vergleichsgespräche kundgetan hat.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BAG, Beschl. v. 19.2.2013 – 10 AZB 2/13
Sachverhalt
Die Kl. hatte die Bekl. zu 1 bis 3 als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. rund 180.000 EUR vor dem LG in Anspruch genommen. Dieses wies auf die Unzulässigkeit des Rechtsweges bezüglich der gegen die Bekl. zu 1 und 2 gerichteten Ansprüche hin, trennte das Verfahren gegen den Bekl. zu 3 ab und verwies den Rechtsstreit gegen die Bekl. zu 1 und 2 auf Antrag der Kl. an das Arbeitsgericht H. Dieses wies die Klage ab und erlegte der Kl. die Kosten des Rechtsstreits auf. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kl. blieb hinsichtlich des Bekl. zu 2 erfolglos.
Vor Verweisung des Ausgangsrechtsstreits an das Arbeitsgericht fanden zwischen den Prozessbevollmächtigten der Bekl. zu 1 und 2 ausführliche telefonische Besprechungen über die von der Kl. geltend gemachten Schadensersatzansprüche statt. Dabei erörterten die Anwälte sowohl die Fragen der Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtsweges als auch einer etwaigen gesamtschuldnerischen Haftung der Bekl. zu 1 und 2. In der Besprechung kamen die Anwälte zu dem Ergebnis, der Kl. für den Fall des Nachweises einer Beteiligung ihrer Mandanten an den ihnen vorgeworfenen strafbaren Handlungen einen Vergleichsvorschlag auf der Grundlage der etwa nachgewiesenen Größenordnung mit entsprechender Kostenquotelung zu unterbreiten. Nachdem die Bekl. im Strafverfahren freigesprochen wurden, erfolgte kein Vergleichsvorschlag mehr.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hatte der Bekl. zu 2 die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr und einer 1,2 Terminsgebühr nebst Auslagen gegen die Kl. geltend gemacht. Der Rechtspfleger des Arbeitsgerichts hat den Antrag auf Festsetzung der Terminsgebühr nebst anteiliger Umsatzsteuer zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Bekl. zu 2 hat das LAG Baden-Württemberg die Terminsgebühr festgesetzt. Die zugelassene Rechtsbeschwerde der Kl. führte zur Wiederherstellung des ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschlusses.
2 Aus den Gründen:
[6]" … II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Eine Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 i.V.m.. Nr. 3104 VV RVG ist nicht angefallen.
[7] 1. Nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG besteht im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten. Nach § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG gilt S. 1 jedoch nicht für Kosten, die dem Bekl. dadurch entstehen, dass der Kl. ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat. Für diese Kosten ist die Erstattung vielmehr weiterhin durch § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91, 103 ff. ZPO geregelt. Obsiegt der Bekl., so kann er hinsichtlich der ihm vor dem ordentlichen Gericht entstandenen Kosten Erstattung verlangen. Gem. § 91 Abs. 2 ZPO sind dabei die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts immer zu erstatten. Sie sind damit dem Einwand entzogen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seien sie nicht notwendig gewesen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Dieser Kostenerstattungsanspruch ist nicht beschränkt auf etwaige “Mehrkosten’. Vielmehr sind alle vor dem zunächst fehlerhaft angerufenen LG angefallenen Kosten zu erstatten. Dies gilt unabhängig davon, ob vor dem Arbeitsgericht die gleichen Gebühren ggf. noch einmal entstehen und von einer Erstattung wegen § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ausgeschlossen sind (BAG RVGreport 2005, 318 (Hansens) = NJW 2005, 1301; Düwell/Lipke/Dreher, ArbGG, 3. Aufl. § 12a Rn 9; ErfK/Koch, 13. Aufl., § 12a ArbGG Rn 6; GK-ArbGG/Schleusener, Stand Dezember 2012, § 12a Rn 58 f.; GMP/Germelmann, 7. Aufl., § 12a Rn 19; Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG 3. Aufl. § 12a Rn 40 f.).
[8] 2. Eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG ist durch die zwischen den Prozessbevollmächtigten der Bekl. zu 1. und zu 2. vor Verweisung an das Arbeitsgericht durchgeführten telefonischen Besprechungen nicht angefallen.
[9] a) Nach der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr u.a. für “die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts’ mit Ausnahme von Besprechungen mit dem Auftraggeber.
[10] b) Nach den mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben zwischen den Prozessbevollmächtigten der Bekl. zu 1. und zu 2. Telefonate stattgefunden, die u.a. eine mögliche einvernehmliche Erledigung des Rechtsstreits zum Inhalt hatten. Auch telefonische Besprechungen könne solche i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG sein (BGH zfs 2010, 286 = RVGreport 2010, 187 (Hansens); anders der bloße ...