[5] "… I. Das BG meint, die Bekl. sei berechtigt, im Rahmen des Tarifwechsels den absoluten Selbstbehalt aus dem bisherigen Tarif als Leistungsausschluss in den Zieltarif zu übernehmen. Der Wegfall eines absoluten Selbstbehalts stelle eine Mehrleistung i.S.v. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG dar, weil die Verpflichtung des VR zur Erstattung von Leistungen erweitert werde. Hierbei sei ein genereller Leistungsausschluss und nicht wie es der Auffassung des AG entsprochen hat nur ein Leistungsausschluss für bestimmte Krankheiten zulässig. …"
[6] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwischen den Parteien ist im Rahmen des Tarifs “ECONOMY’ kein Leistungsausschluss i.H.v. 2.300 EUR wirksam vereinbart worden.
[7] 1. Dem Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Tarifwechsel gem. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs 1 VVG zu. Hiernach kann der VN bei einem bestehenden unbefristeten Versicherungsverhältnis vom VR verlangen, dass dieser Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt. Mit diesem Tarifwechselrecht wird bezweckt, insb. älteren VN bei Schließung ihres Tarifs (“Herkunftstarif’) die Möglichkeit zu eröffnen, eingetretene Kostensteigerungen durch einen Wechsel in einen anderen Tarif des VR (“Zieltarif’) zu vermeiden (BVerwG VersR 2010, 1345 Rn 27; LG Hildesheim VersR 2010, 753, 754; MüKo-VVG/Boetius, § 204 Rn 7, 16 … ). Dieser Tarifwechselanspruch ist ein Optionsrecht des VN im Rahmen des den VR treffenden Kontrahierungszwangs auf Inhaltsänderung des bestehenden Krankenversicherungsvertrags (BVerwG a.a.O. Rn 30; MüKo-VVG/Boetius, a.a.O. Rn 13; Wandt, a.a.O. Rn 1357). Die Voraussetzungen dieses Tarifwechselanspruchs sind gegeben. Insb. liegt ein gleichartiger Versicherungsschutz i.S.v. § 12 der “Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung’ (KalV) vor, da der Kl. bei der Bekl. sowohl im Herkunfts- als auch im Zieltarif Krankenversicherungsschutz für ambulante und stationäre Behandlung sowie für Zahnbehandlung und Zahnersatz erhält. Auf dieselbe Höhe der Prämie kommt es für die Gleichartigkeit demgegenüber nicht an (BVerwG VersR 2007, 1253 unter 2b aa).
[8] 2. Besteht ein Anspruch des VN auf einen Tarifwechsel, so kann der VR, soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der VN wechseln will, höher oder umfassender sind als in dem bisherigen Tarif, für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen (§ 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 VVG). Zutreffend ist das BG davon ausgegangen, dass der Wegfall eines absoluten Selbstbehalts eine Mehrleistung i.S.d. Vorschrift darstellt (so auch LG Hildesheim VersR 2010, 753, 754; MüKo-VVG/Boetius, a.a.O. Rn 211, 322 f.; ders. in Private Krankenversicherung § 204 Rn 104; Looschelders/Pohlmann, a.a.O. Rn 15). Durch die Reduzierung oder den Wegfall eines Selbstbehalts steigt der Leistungsaufwand des VR. Er ist daher berechtigt, von seinen gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, zu denen auch der hier verlangte Leistungsausschluss zählt. Eine Abwendungsbefugnis steht dem Kl. nicht zu, da diese nur für den Fall einer Vereinbarung eines Risikozuschlags und einer Wartezeit seitens des VR vorgesehen ist (§ 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 3 VVG). Der VR ist in diesem Zusammenhang befugt, einen generellen Leistungsausschluss in Form des bisherigen Selbstbehalts zu verlangen, und nicht darauf verwiesen, den Leistungsausschluss nur für bestimmte Krankheiten aufzunehmen, für die der VN nach dem Ergebnis einer erneuten Gesundheitsprüfung in dem Zieltarif nicht ohne Zuschlag bzw. gar nicht versicherbar wäre.
[9] 3. Nicht hinreichend beachtet hat das BG demgegenüber, dass der VR nach dem Gesetz für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss nur verlangen kann, wenn und soweit die Leistungen in dem Zieltarif höher oder umfassender sind als in dem Herkunftstarif. Der Leistungsausschluss ist auf die konkrete Form der Mehrleistung beschränkt (vgl. Voit, in: Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 204 Rn 30). Hier war für den Kl. in dem bisherigen Krankenversicherungstarif für ambulante Leistungen eine absolute jährliche Selbstbeteiligung von 2.300 EUR vereinbart. Eine Zahlungspflicht der Bekl. bestand erst dann, wenn die erstattungsfähigen Leistungen oberhalb jener Grenze lagen. Weitere Abzüge oder Selbstbehalte für die über dem Sockelbetrag von 2.300 EUR liegenden Beträge sah der Tarif demgegenüber nicht vor. Der Tarif “ECONOMY’ sieht zwar keinen absoluten jährlichen Selbstbehalt mehr vor. Er enthält aber für sämtliche Formen der ambulanten Heilbehandlung, insb. ärztliche Leistungen, Arznei- und Verbandmittel, Heil- und Hilfsmittel, Psychotherapie, Heilpraktiker etc. eine Selbstbeteiligung von 10 EUR je Behandlungstag und Behandler, Arznei- und Verbandmittel bzw. sonstiger Leistungsinanspruchna...