StGB § 316 Abs. 2
Leitsatz
Allein der mit 0,65 ‰ angegebene Blutalkoholwert des Angekl. zur Tatzeit erlaubt keinen Rückschluss auf die relative Fahruntüchtigkeit bzw. einen rauschbedingten Fahrfehler, wenn der Angekl. weder von dem die Blutprobe entnehmenden Arzt noch den zum Unfallort herbeigerufenen Polizeibeamten als merklich alkoholisiert beschrieben wurde. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass das zum Unfall (hier: Abkommen von verschneiter Straße) führende verkehrswidrige Fahrverhalten des Angekl. auf anderen Ursachen als einer alkoholbedingten Berauschung fußte.
OLG Schleswig, Beschl. v. 17.1.2014 – 1 Ss 152/13 (8/14)
1 Aus den Gründen:
" … Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angekl. hat – vorläufig – Erfolg. Die Gründe des angefochtenen Urt. sind lückenhaft und tragen die Verurteilung des Angekl. wegen fahrlässiger (erst recht nicht, wie es im Rubrum heißt, wegen vorsätzlicher) Trunkenheit im Verkehr nicht."
[Anmerkung der Schriftleitung: In erster Instanz wurde festgestellt, dass der Angekl. mit einer den winterlichen Wetterverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit mit seinem Pkw nach links von der Fahrbahn abgekommen und mit der Leitplanke kollidiert, danach in die Böschung gefahren sei]
Die StA bei dem Schleswig-Holsteinischen OLG hat hierzu in ihrer an den Senat gerichteten Zuschrift v. 14.1.2014 u.a. ausgeführt:
“Mit der Sachrüge ist das Rechtsmittel ordnungsgemäß ausgeführt. In der Sache hat es vorläufigen Erfolg. Das Urt. leidet an einem Darstellungs- und Begründungsmangel. Das Urt. enthält keine Feststellungen, die den Schluss auf den vom Tatgericht angenommenen rauschbedingten Fahrfehler zulassen. Allein der mit 0,65 ‰ angegebene Blutalkoholwert des Angekl. zur Tatzeit (wobei der Zeitpunkt des Trinkendes im Urt. nicht angegeben wird) erlaubt einen solchen Rückschluss nicht, zumal der Angekl. weder von dem die Blutprobe entnehmenden Arzt noch den zum Unfallort herbeigerufenen Polizeibeamten als merklich alkoholisiert beschrieben wurde. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass das zum Unfall führende verkehrswidrige Fahrverhalten des Angekl. auf anderen Ursachen als einer alkoholbedingten Berauschung fußte.
Es ist aber nicht auszuschließen, dass in einer neuerlichen Hauptverhandlung Feststellungen zur Ursache des Fahrfehlers getroffen werden können. Diesbezüglich wäre insb. an ein Sachverständigengutachten zu denken, das unter Berücksichtigung der physiologischen Besonderheiten des Angekl. Auskunft über dessen Alkoholverträglichkeit geben könnte.‘
Dem tritt der Senat bei.
Bei der erneuten Verhandlung wird die andere Abteilung des AG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.“
Mitgeteilt von RA Stefan Busch, Lübeck
2 Anmerkung:
Hier wollte das erstinstanzliche Gericht nach § 316 Abs. 2 StGB verurteilen, hat aber die Anforderungen an die Feststellungen zur relativen Fahruntüchtigkeit nicht erfüllt. Die Fahrtauglichkeit ist bei einer Alkoholisierung unterhalb des relevanten Grenzwerts von 1,1 ‰ jeweils für den Einzelfall in einer Gesamtschau aller relevanten Indizien zu prüfen. Die BAK zur Tatzeit ist dabei lediglich ein Indiz, hinzu tritt allerdings das individuelle Verhalten des Fahrzeugführers (NK-GVR/Quarch, 1. Aufl. 2014, § 316 StGB Rn 6). Wenn dieses, wie auch die Zeugen belegten, unauffällig ist, kann bei einem wie hier vorliegenden Abkommen von verschneiter Fahrbahn ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein Schluss auf die relative Fahruntüchtigkeit gezogen werden (LG Leipzig, DAR 2006, 402; LG Aachen, Blutalkohol 49, 168 (2012)). Es ist allgemein bekannt und entspricht der Verkehrserfahrung, dass es auch einem nüchternen Kraftfahrer passieren kann, bei schneeglatter Fahrbahn die Kontrolle über sein Fahrzeug zu verlieren. Das Unfallgeschehen als solches lässt daher noch keinen Rückschluss auf eine alkoholbedingte, relative Fahruntauglichkeit des Angekl. zu. Ob es sich bei einer solchen Konstellation tatsächlich anbietet, ein teures Gutachten einzuholen oder doch besser nur eine Verurteilung nach § 24a StVG vorzunehmen, sei dahingestellt.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 5/2014, S. 292 - 293