VVG § 19 Abs. 5
Leitsatz
Verletzt der VN seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG arglistig, so kann der VR auch dann vom Vertrag zurücktreten, wenn er den VN nicht entsprechend den Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG belehrt hat.
BGH, Urt. v. 12.3.2014 – IV ZR 306/13
Sachverhalt
Der Kl. begehrt die Feststellung des Fortbestandes eines Krankenversicherungsvertrags. Nachdem er am 23.9.2010 mit dem als Versicherungsvermittler tätigen Streithelfer einen Maklervertrag geschlossen hatte, unterzeichnete er am 27.10.2010 einen Antrag auf Kranken und Pflegeversicherung. In diesem beantwortete er bei den Gesundheitsangaben die Frage 1 nach Krankheiten, Beschwerden etc. in den letzten drei Jahren mit "ja". Das Feld für nähere Angaben füllte er nicht aus, sondern gab für ärztliche Auskünfte lediglich Dr. S an, bei dem er sich zuletzt im April 2010 wegen "Allgemeine Untersuchung/ohne Befund" in Behandlung befunden habe. Die Frage 10 nach psychotherapeutischen Behandlungen wurde nicht beantwortet. Der Bekl. ging später ein weiteres modifiziertes Antragsformular zu, welches auf den ersten beiden Seiten jeweils an der Seite am 8. November 2010 unterschrieben worden war. In diesem waren nunmehr die Fragen 1 und 10 jeweils verneint. Die Bekl. stellte einen Versicherungsschein mit Versicherungsbeginn ab dem 1.1.2011 aus. Mit Schreiben vom 22.9.2011 erklärte sie den Rücktritt vom Vertrag, da der Kl. ihr verschiedene Erkrankungen (Hypercholesterinämie, Myalgie, Lumbago, Rheuma, depressive Episode, Beschwerden im Halswirbelsäulenbereich), derentwegen er in ärztlicher Behandlung gewesen sei, verschwiegen habe. Mit außergerichtlichen Schreiben v. 23.8.2012 erklärte die Bekl. ferner die Anfechtung ihrer Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung.
2 Aus den Gründen:
[8] "… Die Bekl. war berechtigt, gem. § 19 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 VVG vom Krankenversicherungsvertrag zurückzutreten."
[9] 1. Zu Recht ist das BG zu dem Ergebnis gelangt, dass es auf die Frage, ob ein den Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG genügender Hinweis der Bekl. auf die Folgen einer Verletzung der Pflichten nach § 19 Abs. 1 VVG vorlag, nicht ankomme, da sich der arglistig Handelnde jedenfalls nicht auf eine Verletzung der Hinweispflicht berufen könne.
[10] Diese Frage wird in Lit. und Rspr. unterschiedlich beurteilt.
[11] a) Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass es auf die Erfüllung der Hinweispflicht gem. § 19 Abs. 5 VVG nicht ankommt, wenn der VN arglistig getäuscht hat (Langheid, in: Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 19 Rn 118; MüKo-VVG/Langheid, § 19 Rn 157; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 19 Rn 75 … ).
[12] Eine Minderheitsauffassung im Schrifttum vertritt demgegenüber die Meinung, auch gegenüber einem arglistig täuschenden VN bestehe Leistungsfreiheit des VR nur, wenn er eine den Erfordernissen des § 19 Abs. 5 VVG entsprechende Belehrung erteilt habe (so insb. Knappmann, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, VersRHd, 2. Aufl., § 14 Rn 12 … ).
[13] In der Rspr. ist diese Frage bisher offen gelassen worden (vgl. LG Dortmund VersR 2010, 465, 468).
[14] b) Die erstgenannte Auffassung trifft zu.
[15] Hierfür sprechen zunächst systematische Erwägungen des Gesetzes. So schreibt § 19 Abs. 5 VVG die Belehrungspflicht des VR lediglich für die Fälle des § 19 Abs. 2 bis 4 VVG vor, also für Rücktritt, Kündigung und Vertragsanpassung. Im Falle der Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung gem. § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB ist eine derartige Belehrung im Gesetz von vornherein nicht vorgesehen. Es kann für die Belehrungspflicht indessen keinen Unterschied machen, ob der VR im Falle des Vorliegens einer arglistigen Täuschung durch den VN gem. § 22 VVG anficht oder nach § 19 VVG vom Vertrag zurücktritt. Dies kann etwa von Fragen der Rechtzeitigkeit der Anfechtungserklärung oder des Rücktritts abhängen, ohne dass ersichtlich ist, warum sich dies auf die Frage der Belehrungspflicht auswirken sollte. Auch an anderen Stellen, etwa in § 21 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 oder § 28 Abs. 3 S. 2 VVG zeigt das Gesetz, dass es den arglistig handelnden VN grds. für weniger schutzbedürftig erachtet.
[16] Das entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers für den vergleichbaren Fall des § 28 Abs. 4 VVG. Bei Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung kann sich der VR gem. § 28 Abs. 4 VVG auf Leistungsfreiheit nur berufen, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. Der Gesetzgeber hat aber betont, dass es in Fällen der Arglist des VN einer solchen Belehrung nicht bedarf (BT-Drucks 16/3945 S. 69 zu Abs. 4).
[17] Im Rahmen von § 28 Abs. 4 VVG ist daher überwiegend anerkannt, dass im Falle der Arglist eine gesonderte Belehrung nicht erforderlich ist (vgl. hierzu nur OLG Köln VersR 2013, 1428 f.; HK-VVG/Felsch, 2. Aufl., § 28 Rn 214 m.w.N.).
[18] Der Verzicht auf das Belehrungserfordernis im Falle der Arglist entspricht ferner der früheren Relevanzrechtsprechung des Senats. Hiernach war im Rahmen von § 6 Abs. 3 VVG a.F. im Falle einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung ein Hinweis de...