VVG § 28 Abs. 2, 4
Leitsatz
Hält der mit der Erfüllung der Aufklärungsobliegenheit beauftragte, von der VN getrennt lebende Ehemann aufgrund von Erklärungen des Versicherungsvertreters die Regulierungsbereitschaft des VR für geklärt, so kann das auf Verärgerung über die Dauer der Regulierung erfolgte Verschweigen einer Zeugin gegenüber dem Sachbearbeiter nicht als arglistig betrachtet werden.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.12.2013 – 5 U 372/12
1 Aus den Gründen:
" … Die Kl. kann wegen des im Jahr 2011 eingetretenen Versicherungsfalls … von der Bekl. Versicherungsleistungen verlangen."
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht der Senat davon aus, dass der Versicherungsfall eingetreten ist. Der Zeuge K hat in seiner Vernehmung durch den Senat bestätigt, dass das – von der Bekl. erstinstanzlich mit Nichtwissen bestrittene – Unfallgeschehen sich tatsächlich ereignet hat. Der Zeuge S hat ferner ausgesagt, dass der von der Bekl. mit der Begutachtung der Schadenshöhe beauftragte Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt sei, das Schadensbild passe grds. zur Schadenstelle. Dem ist die Bekl. nicht entgegen getreten. …
2. Die Bekl. ist nicht gem. § 28 Abs. 2 VVG wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit ganz oder teilweise leistungsfrei.
Das gilt selbst dann, wenn man zu ihren Gunsten annimmt, dass sie – was die Kl. bestreitet und die Bekl. nicht substantiiert darlegt – von der in Art. 1 Abs. 3 EGVVG vorgesehenen Möglichkeit, die Bedingungen des offenbar noch unter Geltung des VVG a.F. abgeschlossenen Vertrages an das VVG n.F. anzupassen, Gebrauch gemacht hat. …
Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des VR setzt gem. § 28 Abs. 4 VVG nämlich voraus, dass der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. Daran fehlt es im Streitfall. Der Kl. ist es nach Treu und Glauben nur dann verwehrt, sich hierauf zu berufen, wenn ihr der Vorwurf arglistigen Verhaltens – und damit eines schwerer wiegenden Fehlverhaltens – gemacht werden kann (vgl. BGH VersR 1976, 383; VersR 2009, 968). In diesem Fall wäre auch unerheblich, dass die unzutreffende Angabe zu der Anwesenheit von Zeugen später korrigiert worden ist. Allerdings hat die Bekl. den ihr obliegenden Beweis der Arglist nicht erbringen können.
a) Die Bekl. beruft sich auf eine Verletzung der vertraglichen Obliegenheit gem. Buchst. E.1.3 der von ihr erstinstanzlich vorgelegten AUB 2008. Danach ist der VN verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann, insb. die Fragen des VR zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten und den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.
In Betracht kommt im Streitfall lediglich eine Obliegenheitsverletzung durch die unrichtige Beantwortung der Frage nach Zeugen des Unfallereignisses in der Kfz-Schadenmeldung v. 21.8.2011. …
b) Eine vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit der Bekl. wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit scheitert – ungeachtet des Vorliegens der übrigen Voraussetzungen – bereits am Fehlen einer den Anforderungen des § 28 Abs. 4 VVG genügenden Belehrung.
aa) Die Belehrung konnte nicht wirksam in Buchst. E.6 der Bedingungen erteilt werden. Die nach § 28 Abs. 4 VVG gebotene Belehrung über die im Falle der Verletzung einer Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheiten drohenden Rechtsfolgen soll dem VN vor der Beantwortung entsprechender Fragen des VR eindringlich vor Augen führen, welche Bedeutung die vollständige, rechtzeitige und wahrheitsgemäße Information des VR für dessen Leistungsverpflichtung hat. Dies soll den VN zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Obliegenheiten anhalten, diesen aus Gründen der Fairness zugleich aber auch vor den ihm anderenfalls drohenden Rechtsnachteilen warnen. Es genügt deshalb nicht, den VN bereits vorsorglich in den Vertragsunterlagen zu belehren. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich vielmehr die Notwendigkeit, den VN erst dann zu belehren, wenn die Erfüllung eines Aufklärungs- oder Auskunftsverlangens des VR ansteht (BGH VersR 2013, 297 … ).
bb) Die in dem erforderlichen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Aufklärungs- und Auskunftsverlangen der Bekl. erfolgte Belehrung – “Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben können zum Verlust des Versicherungsschutzes auch dann führen, wenn dem VR keine Nachteile entstehen‘ – in dem Formular “Kfz-Schadenmeldung‘, welches von dem Zeugen P ausgehändigt worden ist, ist nicht auf die Rechtsfolgen nach dem VVG n.F., sondern auf diejenigen nach dem VVG a.F. zugeschnitten und genügt deshalb den inhaltlichen Anforderungen nicht.
cc) Entgegen der Ansicht der Bekl. ist eine wirksame Belehrung der Kl. auch nicht durch die – behauptete – Übersendung des “neuen‘ Fragebogens “Kfz-Schadenmeldung‘ nebst Hinweisblatt mit Schreiben v. 3.8.2011 erfolgt. Eine inhaltlich klare und unmissverständliche Belehrung (vgl. hierzu Rixecker, in: Römer/Langheid, ...