OWiG § 17 § 73 § 79
Leitsatz
1. Grds. sind bei erhöhten Bußgeldern auch bei Verkehrsverstößen Ausführungen im Urteil zur Leistungsfähigkeit des Betr. zu machen. Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn tatsachenfundierte Indizien dafür bestehen, dass die Leistungsfähigkeit des Betr. Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit des angedachten Bußgeldes haben kann.
2. Ob das hier bei 320 EUR und einem Fahrzeug der gehobenen Preisklasse überhaupt schon der Fall ist, mag dahinstehen, weil es diese auf Sachrüge zur beachtenden Ausführungen dann nicht braucht, wenn der Betr. selbst auf derartige Einwendungen verzichtet hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Betr. von der Pflicht des persönlichen Erscheinens entbunden wurde und auch kein Verteidiger an der Hauptverhandlung teilnimmt.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2015 – 2 Ss-OWi 47/15
Sachverhalt
Das OLG Frankfurt hat die Rechtsbeschwerde des Betr. verworfen.
2 Aus den Gründen:
"Ausführungen bedarf es nur zu Folgendem:"
Der GenStA ist zuzugestehen, dass grds. bei erhöhten Bußgeldern auch bei Verkehrsverstößen Ausführungen im Urteil zur Leistungsfähigkeit des Betr. zu machen sind.
Dass ist allerdings nur dann der Fall, wenn tatsachenfundierte Indizien dafür bestehen, dass die Leistungsfähigkeit des Betr. Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit des angedachten Bußgeldes haben kann. Ob das hier bei 320 EUR und einem Fahrzeug der gehobenen Preisklasse überhaupt schon der Fall ist, mag dahinstehen, weil es diese auf Sachrüge zur beachtenden Ausführungen dann nicht braucht, wenn der Betr. selbst auf derartige Einwendungen verzichtet hat. Das AG ist dann nicht gehalten, in Verkehrsordnungswidrigkeiten von Amts wegen die Vermögensverhältnisse des Betr. zu ermitteln. Die Grenze ist wie in anderen Konstellationen auch, dass keine Überraschungsentscheidung ergeht.
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Betr. hat sich von der Anwesenheit in der Hauptverhandlung entbinden lassen, seine Fahrereigenschaft eingeräumt und erklärt, keine weiteren Angaben zu machen. Schriftsätzlich hat er über seinen Verteidiger im Vorfeld lediglich die Ordnungsmäßigkeit des Messverfahrens gerügt. Seine nicht unerheblichen Vorbelastungen waren ihm bekannt und die 320 EUR Bußgeld hatte bereits die Verwaltungsbehörde im angegriffenen Bußgeldbescheid festgesetzt.
Bei dieser Sachlage kann das AG ohne weitere Ausführungen zu Vermögenslage das im Bußgeldbescheid festgesetzte Bußgeld auch im Urteil tenorieren. Das ergibt sich nicht nur aus der Natur der Sache, sondern aus der Wechselwirkung des § 72 Abs. 1 mit Abs. 2 OWiG. Der Gesetzgeber hat die Tatgerichte zur Entbindung verpflichtet wenn die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 OWiG vorliegen. Wenn durch die Hintertür der vermeintlichen Amtsaufklärung die Vermögensverhältnisse des Betr. ermittelt werden sollen, würden die gesetzliche Bindungswirkung an den Entbindungsantrag konterkariert. Folge ist, dass wenn weder der Betr. noch sein mit Vertretungsvollmacht versehener Verteidiger in der Hauptverhandlung erscheinen wollen, sie nachher im Rechtsmittelverfahren mit dem abstrakten Hinweis auf die fehlenden Feststellungen zur Vermögenslage im Urteil auf Sachrüge nicht mehr gehört werden können.“
Mitgeteilt von RA Justizrat Hans-Jürgen Gebhardt, Homburg/Saar
3 Anmerkung:
Die Entscheidung ist gelinde gesagt sehr verwunderlich. Hier werden gleich mehrere Dinge vermischt und dies in meiner Ansicht nach unzulässiger Weise. Dem Grunde nach muss das Gericht Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen treffen, wenn die Geldbuße 250 EUR übersteigt, sofern nicht der Sonderfall vorliegt, dass es sich um ein Regelbußgeld handelt bzw. dass eine Verdoppelung eines Regelbußgeldes wegen § 3 Abs. 4a BKatV vorliegt (vgl. Krenberger, zfs 2015, 65 ff. m.w.N. zur Rspr.). Sofern dies, etwa wegen eines schweigenden Betr., nicht möglich ist, kann das Gericht Rückschlüsse aus den bekannten Umständen ziehen (Haltereigenschaft, Automarke, Alter und Beruf des Betr., vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 4.3.2011 – 1 RBs 42/11, juris) oder eine Schätzung vornehmen. Auf keinen Fall aber kann aus dem Schweigen des Betr. der Rückschluss gebildet werden, das Gericht dürfe auf die durch § 17 OWiG gezogene Grenze und erforderliche Feststellungen verzichten.
Wenn das Gericht aber trotz der aus § 17 OWiG bestehenden Verpflichtung heraus keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen trifft, ist das Urteil auf die Sachrüge hin aufzuheben (OLG Oldenburg zfs 2015, 113).
Sofern das OLG Frankfurt auf § 72 OWiG abstellt, dürfte wohl § 73 OWiG gemeint sein. Aus der Möglichkeit der Entbindung kann aber ebenfalls nicht der Rückschluss gezogen werden, der Betr. würde darauf verzichten, dass das Gericht in seiner Entscheidung den rechtlich vorgegebenen Mindestanforderungen entspricht. Ansonsten müssten ja, überspitzt gesagt, im Abwesenheitsverfahren auch keine Zeugen mehr gehört werden oder keine Lichtbilder mehr angesehen werden. Der Betr. begibt sich durch die Entbindung lediglich der Möglichkeit, sich zu seinen Gunsten hin einzulassen, etwa wenn es um Umstände ...