" … Zu Recht hat das LG die Klage auf Zahlung einer Vollkaskoversicherungsleistung abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung vorgebrachten Berufungsangriffe greifen im Ergebnis nicht durch."

Gem. § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen legt der Kl. nicht dar. Selbst wenn der in 2. Instanz neue Vortrag zum Umfang und zur Beseitigung des Vorschadens v. 19.12.2011 einschließlich der mit der Berufungsbegründung eingereichten Unterlagen gem. § 531 Abs. 2 ZPO bei der Entscheidung zu berücksichtigen wäre und dem Kl. zudem der Nachweis des bestrittenen Unfallereignisses v. 18.4.2013 und der Höhe der Kosten, die für die Beseitigung der dabei entstandenen Schäden erforderlich waren, gelingen würde, wäre die Bekl. nach Aktenlage gem. § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei geworden. Denn der Kl. hat vorsätzlich die unter E. 3.2 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen (AKB Oktober 2012) vereinbarte Obliegenheit, vor Beginn der Verwertung oder der Reparatur des versicherten Fahrzeugs Weisungen der Bekl. einzuholen, verletzt; die gem. § 28 Abs. 2 VVG notwendige Vereinbarung der Leistungsfreiheit in diesem Fall findet sich unter E.6.1 S. 1 der AKB.

Bereits nach dem Vortrag des Kl. hat er die Reparatur des Fahrzeugs quasi sofort, am 20.4.2013 – und damit deutlich vor Anzeige des Versicherungsfalls bei der Bekl., die erst am 30.4.2013 erfolgte, in Auftrag gegeben. Zudem hat er den Pkw im Anschluss an die Reparatur bereits am 18.5.2014 – und damit zu einer Zeit, in der er der Bekl. den Versicherungsfall zwar mündlich angezeigt, das ihm mit Schreiben v. 2.5.2013 überlassene Schadensanzeigeformular jedoch weder ausgefüllt noch zurückgeschickt hatte – nach Kasachstan veräußert.

Die Verletzung der Weisungsobliegenheit erfolgte zumindest bedingt vorsätzlich i.S.d. § 28 Abs. 2 VVG. Darauf, ob der Kl., wie er behauptet, von der konkreten Vereinbarung unter E. 3.2 der AKB keine Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Denn unabhängig davon, dass die AKB durch Einbeziehung Bestandteil des von ihm geschlossenen Versicherungsvertrags geworden waren, gehört es zum Allgemeinwissen eines durchschnittlich verständigen VN, dass Versicherungen, wenn sie auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch genommen werden, regelmäßig eigene Feststellungen zum Eintritt des Versicherungsfalls und zum Umfang der möglicherweise berechtigten Entschädigungsleistung treffen wollen. Über diese Aufklärungsinteresse des VR hat sich der Kl. bewusst hinweggesetzt, indem er das Fahrzeug am 20.4.2013 selbst begutachten ließ und nach seinem Vorbringen unmittelbar danach einen Reparaturauftrag erteilte. Indem er nach dem Erhalt des Schreibens der Bekl. v. 2.5.2013, mit dem ihn diese um Rückruf wegen der Beauftragung eines Sachverständigen gebeten und ihm ein mehrere Seiten umfassendes Schadensanzeigeformular mit Fragen zum gemeldeten Versicherungsfall zugeleitet hatte, das Fahrzeug in ein Land verkaufte, in dem es für die Bekl. nicht mehr erreichbar ist, hat er es zumindest billigend in Kauf genommen, dass er der Bekl. jede weitere Möglichkeit, noch eigene Feststellungen zu treffen, völlig abschneidet.

Insofern ist die Obliegenheitsverletzung auch nicht folgenlos i.S.d. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG i.V.m.E.6.2 der AKB geblieben. Denn hätte der Kl. der Bekl. die beabsichtigte Reparatur und den anschließenden Verkauf jeweils vorher mitgeteilt und um Weisungen gebeten, hätte die Bekl. den Kl. von seinem weiteren Vorgehen abhalten und einen Sachverständigen ihrer Wahl mit der Begutachtung beauftragen können. Nach Zugang der schriftlichen Schadensanzeige am 5.6.2013 hatte die Bekl. dagegen keine Möglichkeit mehr, eigene Feststellungen zum Eintritt und zum Umfang der behaupteten Unfallschäden zu treffen, weil diese zwischenzeitlich beseitigt worden waren und das Fahrzeug zudem wegen der Veräußerung nach Kasachstan für die Bekl. nicht mehr erreichbar war. Die Tatsache, dass der Kl. am 20.4.2013 seinerseits eine Begutachtung der Schäden beim Sachverständigen J in Auftrag gegeben hatte, lässt nicht die Feststellung zu, dass die Verletzung der Weisungsobliegenheit folgenlos geblieben ist. Denn unabhängig davon, dass Versicherungen eigene Gutachter mit wiederum eigenen Weisungen zur Frage der Feststellungen beauftragen, ist die Bewertung der Reparaturkosten durch Herrn J … für die Bekl. schon deshalb nicht mit einer eigenen Begutachtung vergleichbar, weil sie Zweifel an der Objektivität des Gutachters weckt. Dies schon deshalb, weil das Gutachten v. 20.4.2013 die Vorschädigung aus dem Jahr 2011 an keiner Stelle erwähnt, obwohl Herr J auch diesen Altschaden – sowohl vor als auch nach der Reparatur – begutachtet hatte. … “

zfs 5/2015, S. 275 - 276

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