Dem Beschluss des OLG Celle liegt eine Fallgestaltung zugrunde, die gerade im Schadensersatzrecht nicht selten vorkommt. Die Entscheidung ist richtig. Die Lösung des Problems ergibt sich jedoch direkt aus dem Gesetz.
I. Rechtslage bis zum 31.7.2013
Die Vergütung des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten der Kl. und des Drittwiderbekl. richtete sich wegen des vor dem 1.8.2013 erteilten Auftrags nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Gebührenrecht. Nach der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG kann der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern. Dies hat zur Folge, dass die gesamte Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in demselben Rechtszug im Regelfall eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit darstellt. Somit hätte es der vom OLG Celle vorgenommenen Prüfung von Inhalt und Umfang des dem Prozessbevollmächtigten erteilten Auftrags nicht bedurft. Dies gilt im Übrigen auch für die vom OLG Celle abgelehnte Entscheidung des OLG Stuttgart AGS 2013, 324. Die Annahme des OLG Stuttgart, bei der Vertretung der Kl. und des Drittwiderbekl. handele es sich um verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten, ist somit unrichtig.
Dies hat zur Folge, dass die Vertretung einer Partei in einem Rechtszug für den Prozessbevollmächtigten stets eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit je Instanz darstellt, auch wenn zwischen den einzelnen Gegenständen keinerlei innerer Zusammenhang besteht. Dies gilt etwa für die Klage auf Kaufpreiszahlung und Rückzahlung eines Darlehens, für die dagegen erhobene Widerklage des Bekl. aus Werkvertrag oder – wie hier – auch für die Erhebung einer Drittwiderklage gegen einen Dritten. In allen Fällen steht dem Prozessbevollmächtigten nur eine einzige Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Einigungsgebühr und Postentgeltpauschale zu. Soweit der Prozessbevollmächtigte wegen mehrerer Gegenstände tätig wird, sind deren Werte gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen, was hier wegen der Regelung des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG jedoch nicht in Betracht kam. Allerdings kann der Rechtsanwalt in einem solchen Fall die nach Nr. 1008 VV RVG erhöhte Verfahrensgebühr berechnen, wenn er – wie hier der Prozessbevollmächtigte der Kl. und der Drittwiderbekl. – mehrere Auftraggeber hat.
II. Rechtslage ab 1.8.2013
Die Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist allerdings durch das 2. KostRMoG zum 1.8.2013 aufgehoben und durch die in § 17 Nr. 1 RVG eingefügte Regelung ersetzt worden, nach der das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten sind. Diese Änderung erfolgte allein aus systematischen Gründen und sollte nach Auffassung des Gesetzgebers keine sachlichen Änderungen zur Folge haben. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu:
"Die Vorschrift kann wegen der vorgeschlagenen Änderung zur Einfügung einer neuen Nr. 1 in § 17 RVG (Nr. 8) aufgehoben werden. Darin soll künftig bestimmt werden, dass jeder Rechtszug eines gerichtlichen Verfahrens gebührenrechtlich eine eigene Angelegenheit bildet. Dies soll jedoch nichts daran ändern, dass mehrere parallele Rechtsstreitigkeiten in jedem Fall jeweils gesonderte Angelegenheiten bilden. Damit reicht die Regelung in § 15 Abs. 2 S. 1 RVG aus, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann."
Die Neuregelung in § 17 Nr. 1 RVG ist der Sache nach jedoch etwas völlig anderes als die bisherige Regelung in § 15 Abs. 2 S. 2 RVG, weil sich diese nur auf das Verfahren über ein Rechtsmittel und den vorausgegangenen Rechtszug beschränkt. Durch diese völlig überflüssige Neuregelung weist das Gesetz nunmehr Lücken auf. Dies gilt beispielsweise für den Fall, dass ein Verfassungsgericht die Entscheidung eines Gerichts aufhebt und die Sache an dieses zurückverweist. Das weitere Verfahren vor dem untergeordneten Gericht ist dann gem. § 21 Abs. 1 RVG ein neuer Rechtszug (so BGH RVGreport 2013, 465 (Hansens) = AGS 2013, 453). Da die Verfassungsbeschwerde kein Rechtsmittel darstellt, greift § 17 Nr. 1 RVG in der ab 1.8.2013 geltenden Fassung nicht mehr ein. Auf den aufgehobenen § 15 Abs. 2 S. 2 RVG, der allgemein geregelt hat, dass der Anwalt in jedem Rechtszug die Gebühren gesondert fordern kann, kann ebenfalls nicht mehr zurückgegriffen werden. Nach der Aufhebung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG muss wohl in Fällen wie diesem auf die allgemeinen Abgrenzungskriterien des § 15 RVG zurückgegriffen werden, wie es das OLG Celle getan hat.
Das OLG Celle hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dem BGH liegt jedoch seit kurzem in einem vergleichbaren Fall eine Rechtsbeschwerde zum Az. III ZB 61/15 vor, so dass mit einer höchstrichterlichen Klärung der Frage in einiger Zeit zu rechnen ist.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens
zfs 5/2015, S. 286 - 288