RVG § 7 § 15 Abs. 1; VV-RVG Nr. 1008
Leitsatz
Bei der anwaltlichen Vertretung der Kl. und des Drittwiderbekl. kann es sich um dieselbe Angelegenheit handeln, so dass der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal und daneben die Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV-RVG verlangen kann.
OLG Celle, Beschl. v. 30.12.2014 – 2 W 279/14
Sachverhalt
Die Kl. hatte vor dem LG Hannover aus eigenem und aus abgetretenem Recht des späteren Drittwiderbekl. gegen die Bekl. Schadensersatzansprüche aus der Vermittlung an einer Fondsbeteiligung geltend gemacht und den Drittwiderbekl. als Zeugen benannt. Im Verlaufe des Rechtsstreits hat die Bekl. Drittwiderklage auf die negative Feststellung erhoben, dass dem Drittwiderbekl. keine Schadensersatzansprüche aus der verfahrensgegenständlichen Fondsbeteiligung zustehen. Die Kl. und der Drittwiderbekl. ließen sich durch dieselben Rechtsanwälte als Prozessbevollmächtigte vertreten. Aufgrund des Anerkenntnisses des Drittwiderbekl. erließt das LG Hannover ein Anerkenntnisteilurteil im schriftlichen Verfahren. Der Rechtsstreit im Übrigen endete durch einen durch Beschluss festgestellten Prozessvergleich.
Der in vollem Umfang erstattungsberechtigte Drittwiderbekl. beantragte gegen die Bekl. die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr, einer 1,2 Terminsgebühr sowie einer 1,0 Einigungsgebühr nebst Auslagen nach dem Wert der Drittwiderklage. Die Rechtspflegerin des LG Hannover hat diesem Antrag in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen von der Bekl. eingelegte sofortige Beschwerde hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Entgegen der von der Rechtspflegerin geteilten Auffassung des Drittwiderbekl. entstehen der Kl. und dem Drittwiderbekl. auf der Grundlage der Kostenregelung in dem Prozessvergleich nicht jeweils die vollen Rechtsanwaltsgebühren nebst Auslagen und Mehrwertsteuer mit der Maßgabe zu, dass auf Seiten der Kl. 75 % und auf Seiten des Drittwiderbekl. 100 % der vollen Anwaltsgebühren als erstattungsfähig anzusehen wären."
Der Drittwiderbekl. kann nicht die Erstattung der angemeldeten Kosten i.H.v. 1.739,78 EUR (1,3 Verfahrensgebühr, 1,2 Terminsgebühr und 1,0 Einigungsgebühr gem. Nr. 3100, 3104, 1003, 1000 VV RVG in der vor dem 1.8.2013 geltenden Fassung aus dem Wert von 7.380,00 EUR zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) beanspruchen, sondern lediglich 603,56 EUR, weil es sich bei der anwaltlichen Vertretung des Drittwiderbekl. und der Kl. um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 1 RVG handelt.
Soweit der Rechtsanwalt, wie im vorliegenden Fall, in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält er die Gebühren nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal und kann ggf. die Erhöhung der Verfahrensgebühr um 0,3 nach Nr. 1008 VV RVG fordern.
Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insb. der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Dieselbe Angelegenheit liegt in der Regel vor, wenn zwischen ihnen ein inhaltlicher Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich sogar dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung des Rechts des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, dass der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. BGH RVGreport 2011, 339 (Hansens)). Der Annahme einer Angelegenheit steht insb. nicht entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.; BGH RVGreport 201...