BGB § 138 Abs. 2 § 342 § 433
Leitsatz
Bei einer Internet-Auktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot des Bieters und dem angenommenen Wert des Versteigerungsobjektes nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB. Vielmehr bedarf es neben dem Missverhältnis zusätzlicher Umstände, aus denen bei einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internet-Auktion auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters geschlossen werden kann.
BGH, Urt. v. 12.11.2014 – VIII ZR 42/14
Sachverhalt
Der Bekl. stellte am Abend des 24.5.2012 einen gebrauchten VW Passat zur Internet-Auktion bei ebay mit einem Startpreis von 1 EUR ein. Der Kl. nahm wenige Minuten später das Angebot an, wobei er ein Maximalgebot von 555,55 EUR festlegte. Nach sieben Stunden brach der Bekl. die Auktion ab. Zu dieser Zeit war der Kl. der einzige Bieter. Der Bekl. teilte dem Kl. mit, einen Käufer außerhalb der Auktion gefunden zu haben. Der Kl. nimmt den Bekl. auf Schadensersatz i.H.v. 5.249 EUR mit der Begründung in Anspruch, dass das Fahrzeug 5.250 EUR wert gewesen sei. Die Klage hatte vor dem LG dem Grunde nach Erfolg. Das OLG hat die Berufung des Bekl. zurückgewiesen. Die Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[4] "Die Revision hat keinen Erfolg."
[5] I. Das BG (Thüringer OLG, Urt. v. 15.1.2014 – 7 U 399/13, juris) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt: Zwischen den Parteien sei ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, wegen dessen Nichterfüllung der Bekl. Schadensersatz zu leisten habe. Die vom Bekl. erklärte Anfechtung greife nicht durch, weil kein Irrtum i.S.v. § 119 Abs. 1 BGB vorgelegen habe. Der Kaufvertrag sei mangels verwerflicher Gesinnung des Kl. auch nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB). Die beiderseitige Chance auf ein “Schnäppchen‘ sei gerade typisch für ebay-Versteigerungen.
[6] Auch ein Rechtsmissbrauch sei entgegen der Auffassung des OLG Koblenz (MMR 2009, 630), wonach ein “Schnäppchen‘ nur ein solches sei, welches innerhalb einer realistischen Preisspanne liege, nicht gegeben. Der Käufer mache lediglich von einer Kaufmöglichkeit Gebrauch, die ihm der Verkäufer selbst eröffnet habe. Außerhalb der Verkaufsplattform ebay kämen Verträge mit einem derartigen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zwar niemals zustande. Durch die Nutzung von ebay werde ein solches Missverhältnis aber in Kauf genommen. Da der Verkäufer auch einen Mindestpreis eingeben könne, sei er gegenüber dem Käufer nicht schutzbedürftig.
[7] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht hat das BG dem Kl. einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB dem Grunde nach zuerkannt.
[8] 1. a) Das BG hat zutreffend angenommen, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande gekommen ist. Insbesondere hat es rechtsfehlerfrei und insoweit von der Revision nicht angegriffen festgestellt, dass der Bekl. die Internetauktion ohne berechtigten Grund vorzeitig abgebrochen hat und nicht zur Anfechtung seines Angebots wegen Irrtums nach §§ 119 ff. BGB berechtigt war.
[9] b) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert der Schadensersatzanspruch nicht daran, dass der mit dem Bekl. geschlossene Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig wäre (§ 138 Abs. 1 BGB). Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem (angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB. Es bedarf vielmehr zusätzlicher – zu einem etwaigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinzutretender – Umstände, aus denen bei einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters geschlossen werden kann (Senatsurt. v. 28.3.2012 – VIII ZR 244/10, NJW 2012, 2723 Rn 20 f.).
[10] Solche Umstände hat das BG nicht festgestellt. Zu Unrecht meint die Revision, die Begrenzung des Gebots auf 555,55 EUR mache deutlich, dass der Kl. nicht bereit gewesen sei, einen auch nur annähernd dem Marktpreis entsprechenden Preis zu bieten. Wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, erschließt sich nicht, weshalb ein (Höchst-)Gebot unterhalb des Markpreises sittlich zu missbilligen sein soll. Gibt der Bieter ein Maximalgebot ab, ist er nicht gehalten, dieses am mutmaßlichen Marktwert auszurichten. Wie der Senat bereits entschieden hat, macht es gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem “Schnäppchenpreis‘ zu erwerben, während umkehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, durch den Mechanismus des Überbietens einen für ihn vorteilhaften Preis zu erzielen (Senatsurt. v. 28.3.2012 – VIII ZR 244/10, a.a.O.).
[11] 2. Der Bekl. kann dem Kl., wie das BG zutreffend entschieden hat, auch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenhalten. Die Annahme eines Rechtsmissbrau...