BGB § 323 Abs. 6 S. 2 § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; EWGRL 1268/80
Leitsatz
Weicht der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs von der Prospektangabe ab, kann ein Fahrzeugmangel vorliegen. Verweist der Prospekt auf eine Verbrauchsermittlung nach der "Richtlinie 80/1268/EWG" kommt es darauf an, ob der richtlinienkonform ermittelte Verbrauch von der Prospektangabe abweicht. Ein Mehrverbrauch von weniger als 10 % ist eine unwesentliche Abweichung i.S.v. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB und begründet kein Rücktrittsrecht.
OLG Hamm, Urt. v. 8.6.2015 – I-2 U 163/14
Sachverhalt
Der Kl. macht die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages u.a. wegen von ihm behaupteten zu hohen Kraftstoffverbrauchs geltend. Das LG hat nach Einholung eines Gutachtens den von dem Kl. erklärten Rücktritt für gerechtfertigt erklärt, weil die im Prospekt des beklagten Verkäufers des Kfz angegebenen Verbrauchswerte bei dem Fahrzeug des Kl. unter Testbedingungen nicht reproduzierbar seien. Die für den Kraftstoffmehrverbrauch entstandenen Kosten schulde der Bekl. als Schadensersatz. Hiergegen richtet sich die Berufung des Bekl. Er meint, dass das LG zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, dass der Hersteller für seine Verbrauchsangabe ein zugelassenes Verfahren (Einstellen des Prüfstandes nach Tabellenwerten statt nach dem tatsächlichen Rollwiderstand des Fahrzeuges) angewandt habe. Das vom LG eingeholte Erstgutachten, in dem er einen zu hohen Verbrauch festgestellt habe, sei wegen Verletzung der Parteiöffentlichkeit und Verstößen gegen die eigenverantwortliche Erstellung nicht verwertbar. Der Kl. hat die sachlichen Richtigkeit der von dem LG übernommenen Feststellungen des Erstgutachters angenommen und das Verfahren des LG mit der Begründung in Zweifel gezogen, dass Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt seien und die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angeregt. Nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens hat der Senat auf die Berufung des Bekl. unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
" … 2. Zum Rücktritt berechtigende Mängel, §§ 323, 437 Nr. 2, 434, 433 BGB, lassen sich nicht feststellen."
(a.) Zu hoher Verbrauch
Eine Mangel ist dann gegeben, wenn der Verbrauch des Fahrzeuges des Kl. von der Prospektangabe abweicht, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 der Regelung. Da der Angabe des Verbrauchs im Prospekt entsprechend der Fußnote zur Verbrauchsangabe eine Verbrauchsermittlung nach der “Richtlinie 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung’ zugrunde lag, kommt es darauf an, ob richtlinienkonform ermittelter Verbrauch des Fahrzeugs des Kl. von der Prospektangabe abweicht. Das ist – im Ergebnis – in nur unerheblichem Umfang der Fall.
Dabei teilt der Senat die Auffassung des LG, bei richtlinienkonformer Verbrauchsermittlung sei bei der Einstellung des Prüfstandes auf die Rollwiderstandswerte des konkreten Fahrzeuges zurückzugreifen, nicht.
Denn die Richtlinie erlaubt es sowohl, den konkreten Fahrwiderstand des geprüften Fahrzeuges, wie auch Tabellenwerte bei der Einstellung des Prüfstandes zugrunde zu legen: Nach der Richtlinie 80/1268/EG werden die Last und Fahrwiderstandseinstellungen des Prüfstandes nach Anhang III der Richtlinie 70/220/EWG, letzte Fassung, bestimmt, Anhang I Ziff. 6.3.1 der Richtlinie 80/1268/EG. Nach Anhang III Anlage 2 Ziff. 3.2.1 der Richtlinie 70/220/EWG besteht die Möglichkeit die Bremse des Prüfstandes – mit Zustimmung des Herstellers – nach den Werten der dort wiedergegebenen Tabelle einzustellen. Dabei handelt es sich nicht – zu dieser Bemerkung gibt der erstinstanzliche Vortrag Anlass – um vom Hersteller gefundene Werte, sondern um Vorgaben der Tabelle der Richtlinie. Da beide Methoden nach der Richtlinie möglich sind und die Richtlinie weder der einen noch der anderen Methode den Vorzug gibt, geht die objektive Käufererwartung dahin, dass die im Prospekt angegebenen Werte entweder nach der einen oder nach der anderen Methode ermittelt sind und dass sich die Werte bei der Ermittlung des Verbrauchs des von ihm gekauften Fahrzeugs unter Zugrundelegung der Methode, die bei der Ermittlung der im Prospekt angebenden Verbrauchswerte angewandt wurde, reproduzieren lassen.
Gegen diese Bestimmung der zu erwartenden Beschaffenheit, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, spricht nicht, wie es das LG gemeint hat, dass der Rückgriff auf Tabellenwerte zu einem theoretischen Ergebnis ohne hinreichenden Bezug zum konkreten Fahrzeug führe, oder, wie es die Berufungserwiderung meint, dass die Werte absichtlich so unrealistisch niedrig gesetzt worden seien, dass im Prospekt ein werbewirksamer, jedoch falscher Wert ausgeworfen werde. Dass richtlinienkonform ermittelte Verbrauchswerte dem tatsächlichen Verbrauch im Straßenverkehr nicht entsprechen, ist allgemein bekannt. Das gilt für beide Methoden. Dass der Hersteller im Homologationsverfahren die für den zur Prüfung stehenden Fahrzeugtyp günstigere Methode anwenden lassen wird, ist zu erwarten. Auch das gilt für beide Methoden gleichermaßen.
Gegen diese Bestimmung der zu erwartenden Beschaffenheit ...