ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
Täuscht eine Partei durch eine unwahre Darstellung eines in Wahrheit von ihr provozierten Auffahrunfalls die Begründung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor und ergibt sich die Unwahrheit ihrer Angaben erst nach der Durchführung der Beweisaufnahme, ist ihr die Prozesskostenhilfe zu entziehen.
OLG Hamm, Beschl. v. 14.11.2014 – I-9 U 165/13
Sachverhalt
Der Kl., der Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend machte, erreichte aufgrund seiner Angaben zum Unfallhergang die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Erst im Rechtsstreit stellte sich nach Beweisaufnahme heraus, dass der Kl. den Auffahrunfall, in den er mit seinem Kfz verwickelt war, provoziert hatte.
Weiterhin ergab sich, dass der Kl. in seinen danach unwahren Angaben zum Unfallhergang auch eine unzutreffende Darstellung der ihm aus dem vermeintlichen Unfall erwachsenen Schäden gegeben hatte. Das BG, das dem Kl. Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, hob daraufhin die Prozesskostenhilfebewilligung für beide Instanzen auf.
2 Aus den Gründen:
[2] "… Das Gericht kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufheben, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat. Als Gericht der Hauptsache kann der Senat auch über die Aufhebung der Bewilligung der in erster Instanz gewährten Prozesskostenhilfe entscheiden."
[3] Die Voraussetzungen nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind vorliegend erfüllt.
[4] Der Kl. hat im Rahmen der Begründung seiner Klage objektiv falsch vorgetragen.
[5] Der Kl. hat durchgängig behauptet, dass er durch ein unfreiwilliges Unfallereignis die in dem Privatgutachten C vom 27.11.2011 dokumentierten Sachschäden und weitere materielle Schäden erlitten hat, für die er im vorliegenden Verfahren von den Bekl. Schadensersatz verlangt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in dem Berufungsverfahren steht zur Überzeugung des Senats jedoch fest, dass der Kl. den streitgegenständlichen Auffahrunfall provoziert, mithin in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt hat. Ihm stehen daher mangels Rechtswidrigkeit der Beschädigung im Ergebnis keinerlei Schadensersatzansprüche gegen die Bekl. zu.
[6] Dass sich der Senat von der Unwahrheit des klägerischen Sachvortrags erst nach Durchführung der Beweisaufnahme mit der erforderlichen Gewissheit hat überzeugen können, steht der Entziehung der Prozesskostenhilfe nicht entgegen. Zwar wird man nicht stets die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe als gegeben ansehen können, wenn die im Rahmen des Rechtsstreits durchgeführte Beweisaufnahme zu Ungunsten des ASt. verlaufen ist. Ergibt sich aber aus der Beweisaufnahme – ggf. mit unstreitigen Indizien, die für sich betrachtet, dem erkennenden Gericht noch nicht die erforderliche Gewissheit von der Unwahrheit des Sachvortrags des ASt. vermittelt haben –, dass der ASt. falsch vorgetragen hat, und ohne diesen falschen Vortrag Prozesskostenhilfe nicht gewährt worden wäre, kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachträglich aufgehoben werden (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 25.2.2003 – 4 W 75/02, BeckRS 2003, 30308792; OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1088).
[7] Dass, und warum die Sachverhaltsschilderung des Kl. in einem entscheidenden Punkt, nämlich der Unfreiwilligkeit des Schadensereignisses, objektiv unzutreffend gewesen ist, ergibt sich aus den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des rechtskräftigen Senatsurt. v. 26.8.2014, auf die inhaltlich verwiesen wird. Aufgrund der vom Senat rechtskräftig getroffenen tatsächlichen Feststellungen steht daher fest, dass der Kl. das Unfallereignis provoziert hat und darüber hinaus das durch den Auffahrunfall entstandene Schadensbild vertieft hat … “
3 Anmerkung:
1. Ein besonders dreister Versuch, einen unbegründeten Anspruch auf Staatskosten, damit auf Kosten aller Bürger, durchzusetzen und hierbei das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe zu missbrauchen, ist erfreulicherweise gescheitert. Nach der Beweisaufnahme stand es fest, dass der ASt., dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, den Auffahrunfall, aus dem er Ansprüche herleitete, provoziert hatte. Bei dieser Konstellation des vorgetäuschten Unfalls hatte der angeblich Geschädigte eine UnfalIsituation herbeigeführt, die dem äußeren Anschein nach auf eine alleinige Verantwortlichkeit des vorgeblichen Schädigers hindeutete (vgl. Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 5. Aufl., Kap. 25 Rn 22). Ziel des Verhaltens des Provokateurs ist es, den Haftpflichtversicherer des gutgläubigen und oft von seiner alleinigen Verantwortlichkeit überzeugten Unfallgegner in Anspruch zu nehmen (vgl. Geigel/Kunschert, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 25 Rn 14). Ein Schadensersatzanspruch des Provokateurs scheidet aus, weil er in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat, damit die Rechtswidrigkeit der Schadenszufügung entfällt (vgl. BGHZ 71, 33; Homp/Mertens, in: Himmelreich/Halm/Staab, ...