ZPO § 91 Abs. 1 § 103 § 104; VVG § 86

Leitsatz

Die Kosten eines während des Rechtsstreits von der nicht mit verklagten Haftpflichtversicherung des Bekl. eingeholten und bezahlten Privatgutachtens gehören nicht zu den der Kostenfestsetzung unterliegenden Kosten des Rechtsstreits.

(Leitsatz der Schriftleitung)

OLG Köln, Beschl. v. 11.1.2016 – 17 W 255/15

Sachverhalt

Die Kl. hatte im Sommer 2006 wegen eines zahnärztlichen Behandlungsfehlers mit schwerwiegenden Folgen gegen den Beklagen vor dem OLG Köln ein Urt. auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 3.750 EUR und auf Feststellung erwirkt, dass der Bekl. verpflichtet sei, der Kl. sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung durch den Bekl. entstanden sind oder noch entstehen werden. Dabei hatte sich das OLG Köln auf ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten des Prof. Dr. H. gestützt. Im August 2007 hat die Kl. wegen Dauerschmerzen im Gesicht beim LG Bonn ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet, in dem der Sachverständige Prof. Dr. Dr. J. ein gesichtschirurgisches Gutachten erstattet hat. Im September 2009 hat die Kl. den Bekl. vor dem LG Bonn auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes i.H.v. mindestens 25.000 EUR und auf Ersatz u.a. eines Haushaltsführungsschadens i.H.v. rund 73.500 EUR in Anspruch genommen. Das LG Bonn hat die Klage nach ergänzender Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. J. abgewiesen.

In dem hiergegen von der Kl. geführten Berufungsverfahren hat diese auf – vermeintliche – Widersprüche zwischen den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. H. und Prof. Dr. Dr. J. hingewiesen. Der Bekl. hat sich u.a. auf vier von seiner Berufshaftpflichtversicherung eingeholte neurologische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M.-V. gestützt. Der Berufungssenat des OLG Köln hat ferner Beweis erhoben u.a. durch Einholung eines neurologischen Gutachtens von Prof. Dr. F. Ferner hat sich das OLG von dem an beiden schriftlich erstatteten Gutachten beteiligten Sachverständigen Prof. Dr. T. diese Gutachten mündlich erläutern lassen. In diesem Termin war auch der von der Versicherung beauftragte Privatgutachter Prof. Dr. M.-V. anwesend gewesen, der Fragen gestellt und Ausführungen gemacht hat.

Das OLG Köln hat durch Urt. v. 4.12.2013 die Berufung der Kl. auf deren Kosten zurückgewiesen. In den Urteilsgründen hat sich der Senat mit den Gutachten und Ausführungen sämtlicher beteiligter Gutachter einschließlich des Privatgutachters Prof. Dr. M.-V. auseinandergesetzt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Bekl. neben den Anwaltskosten auch die Kosten des von seiner Berufshaftpflichtversicherung beauftragten Privatgutachters Prof. Dr. M.-V. i.H.v. insgesamt 8.350,73 EUR geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des LG Bonn hat diese von der Berufshaftpflichtversicherung des Bekl. an den Sachverständigen gezahlten Kosten unberücksichtigt gelassen, da es sich um außergerichtliche Kosten der an dem Prozess nicht beteiligten Haftpflichtversicherung des Bekl. gehandelt habe.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Bekl. hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … II. Die sofortige Beschwerde des Bekl. ist zwar gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg."

1. Der Senat bleibt bei seiner Rechtsauffassung, die er in seinem Beschl. v. 11.6.2014 (RVGreport 2015, 70 (Hansens) = JurBüro 2015, 32) ausführlich dargelegt und begründet hat, auch wenn diese in der Literatur offenbar überwiegend nicht geteilt wird (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, 36. Aufl., § 91 ZPO Rn 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 74. Aufl., § 91 ZPO Rn 269; Schwenker, IBR 2014, 644; BeckOK-ZPO/Jaspersen, Stand 1.9.2015, § 104 ZPO Rn 17: dagegen zustimmend Hansens, RVGReport 2015, 70 ff.; wohl auch Zöller/Herget, 31. Aufl., § 91 ZPO Rn 13 “Privatgutachten’ mit Hinweis auf Hansens RVGReport 2011, 287) …

Das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO hat seine Grundlage einzig in dem “zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel’ (§ 103 Abs. 1 ZPO). Dieser Titel muss eine Kostengrundentscheidung enthalten, damit überhaupt Kosten festgesetzt werden können. Gläubiger und Schuldner der Kostengrundentscheidung können nur die “Parteien’ des Rechtsstreits sein, wie sich wiederum aus §§ 91 ff. ZPO ergibt. Damit können Kosten, die nicht der Partei selbst, sondern “Dritten’ entstanden sind, grds. nicht in dem einem Rechtsstreit nachfolgenden Betragsverfahren festgesetzt werden. Wegen der Begründung im Einzelnen kann auf den Beschl. des Senats vom 11.6.2014 a.a.O., verwiesen werden.

Völlig zu Recht heißt es in der Kommentierung von Schulz (MK-ZPO, 4. Aufl. 2013, § 104 ZPO Rn 1 “Normzweck und Anwendungsbereich’): “Kennzeichnend ist die Ausgestaltung als ein stark formalisiertes, auf vereinfachte Prüfung zugeschnittenes Massenverfahren. Das verkennt die Rechtsprechung bisweilen, wenn sie für die Beurteilung, ob eine zur Kostenfestsetzung angemeldete Position erstattungsfähig ist, entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls abstellt...

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