VVG § 28; AKB 2008 E 1.3
Leitsatz
Die Obliegenheit, die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, geht nicht über die einen Kraftfahrer nach § 142 StGB treffenden Pflichten hinaus.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG München, Urt. v. 26.2.2016 – 10 U 2166/15
1 Aus den Gründen:
" … Die Bekl. kann sich nicht auf Leistungsfreiheit nach den Ziffern E 1.3 S. 1 und E. 6.1 S. 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden AKB i.V. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG berufen. Hinsichtlich der in E.1.3 AKB 2008 formulierten Obliegenheit ist es zwar für die Berufung auf Leistungsfreiheit nicht in jedem Fall erforderlich, an das Erfüllen des objektiven und subjektiven Tatbestandes des § 142 StGB anzuknüpfen (vgl. OLG Stuttgart VersR 2015, 444; OLG Frankfurt VersR 2016, 47). E. 1.3 S. 1 der AKB 2008 erfordert aber auch nicht, dass der in einen Unfall verwickelte VN oder sein Repräsentant in jedem Fall das Eintreffen des geschädigten Eigentümers abwartet oder die Polizei verständigt."
1. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Regelung dem VN hinsichtlich der Ermöglichung der Feststellungen an der Unfallstelle mehr abverlangt als § 142 StGB. “ … Die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen’ heißt nicht gleichzeitig, in jedem Fall die Polizei hinzuziehen oder endlos auf alle Geschädigten warten zu müssen. Der BGH hat in der in NJW 2013, 936 veröffentlichten Entscheidung für ausreichend erachtet, dass der VN sich, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hatte, unverzüglich statt an die in § 142 Abs. 2 StGB Genannten an seine Versicherung wandte, den Unfall mitteilte und dieser so Gelegenheit zu weiteren Weisungen gab. Damit wäre eine Auslegung der Klausel AKB E 1.3., die ein Entfernen nach Ablauf einer Wartezeit verböte, unvereinbar. Gegen eine derartige Erweiterung der Obliegenheiten des VN gegenüber der früheren Rspr. spricht, dass ein VN die Aufklärung auch “ermöglicht’, wenn er sich als Unfallbeteiligter zu erkennen gibt und für Feststellungen passiv zur Verfügung hält. Einem VN ist bewusst, was das Gesetz von ihm nach einem Verkehrsunfall verlangt. Hält er sich daran, wäre es überraschend, würde ihm vorgehalten, sein Versicherungsvertrag verlange mehr als das Gesetz, nämlich gleichsam eine Verewigung der Wartepflicht oder entgegen dem allgemeinen Rechtsverständnis die Pflicht, doch die Polizei in jedem Fall zu verständigen. Dies gilt vorliegend umso mehr, als nach E. 3.3 der Bedingungen zusätzlich zu den allgemeinen Pflichten im Schadensfall gerade für die Kaskoversicherung lediglich bei bestimmten – hier nicht vorliegenden – Schäden die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Schadensereignisses bei der Polizei normiert ist. Diese Erweiterung wäre dann unverständlich, müsste der VN auch in allen anderen Fällen immer die Polizei hinzuziehen.
Die AKB 2008 E 1.3. enthalten zwar eine versicherungsvertraglich eigenständige Obliegenheit, deren Rechtsfolgen sich nach § 28 VVG bestimmen. Inhalt und Grenzen stimmen aber mit den gesetzlichen des § 142 Abs. 1, 2 StGB überein. Sollen mit der Ermöglichung der erforderlichen Feststellungen weitergehende Pflichten erfasst werden, müsste der VN hierauf gesondert hingewiesen werden, wie dies in E 3.3. für bestimmte Schäden auch der Fall ist. Denn die Auslegung der Bedingungen erfolgt aus der Sicht und dem Verständnishorizont eines durchschnittlichen VN (vgl. Knappmann, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Aufl. 2015, Vorbem. zu A.1.1. AKB 2008, Rn 1).
2. Vorliegend hat sich der Fahrer von der Unfallstelle erst entfernt, nachdem gegenüber geschädigten feststellungsbereiten Personen die Angaben gem. § 142 I 1 StGB getätigt wurden.
Die erforderlichen Feststellungen wurden durch die Erklärung zu Person, Fahrzeug und Art der Beteiligung gegenüber den Mietern und damit in ihrem Besitzrecht beeinträchtigten und auch geschädigten Besitzern des Anwesens, insb. durch die Angabe, dass der Zeuge R als Fahrer mit dem Pkw den Unfall verursachte, ermöglicht und es ist nicht vorgetragen worden, dass weitere Feststellungen gewünscht wurden und es steht auch nicht fest, dass der Pkw bereits zuvor entfernt worden wäre. Im Gegenteil ergibt sich aus den von der Bekl. selbst vorgelegten Unterlagen, dass die Mieterin am nächsten Morgen den Eigentümer verständigte und aus der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ist zu entnehmen, dass die Mitteilungen der Mieterin an den Eigentümer auch die Nachschau bei Fahrer und Repräsentant ermöglichten. Die Mieterin war daher vorliegend eine bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht nur geschädigte, sondern auch feststellungsbereite Person.
3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus E.1.3. der AKB, soweit dem VN die Pflicht auferlegt werden soll, “alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann’. Soweit die Bekl. in der mündlichen Verhandlung ausführte, dieser umfassende Pflichtenkreis beinhalte hier, dass der Repräsentant des Kl. und der Fahrer vor Ort verpflichtet gewesen wären, die Polizei zu rufen und das Unfallfahrzeug nicht von der Unfallstelle zu ent...