I. Gesetzliche Grundlagen für die Bestimmung der Geschäftsgebühr
Gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren – wie hier bei der in Nr. 2300 VV RVG mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 ausgewiesenen Geschäftsgebühr – die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, von denen § 14 Abs. 1 S. 1 RVG einige in nicht abschließender Aufzählung nennt. Ist die Geschäftsgebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gem. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Besteht – wie es hier der Fall war – über die Höhe der Gebühr Streit, hat das Gericht in dem Rechtsstreit ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer (RAK) einzuholen. Dies gilt nach § 14 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 RVG auch im vereinfachten schriftlichen Verfahren gem. § 495a ZPO.
1. 1,3 Geschäftsgebühr bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall
Auch bei der außergerichtlichen Regulierung des Schadens bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall ist im Regelfall vom Anfall bzw. von der Erstattungsfähigkeit einer 1,3 Geschäftsgebühr auszugehen (siehe BGH RVGreport 2015, 391 [Hansens] = zfs 2014, 585 mit Anm. Hansens = AGS 2014, 325 mit Anm. N. Schneider). Diese sog. Schwellengebühr entgilt die durchschnittliche anwaltliche Tätigkeit. Deshalb ist es nicht unbillig, wenn ein Rechtsanwalt für seine Tätigkeit bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall eine Geschäftsgebühr von 1,3 bestimmt (BGH RVGreport 2007, 21 [Hansens] = zfs 2007, 102 mit Anm. Hansens = AGS 2007, 28).
2. Höhere Geschäftsgebühr
Eine die 1,3 Geschäftsgebühr übersteigende Geschäftsgebühr kann der Anwalt nur fordern, wenn seine Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Von diesen Voraussetzungen kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzgrenze von 20 % abgesehen werden (BGH RVGreport 2012, 375 [Hansens] = AGS 2012, 373 unter Aufgabe von BGH RVGreport 2011, 136 [Hansens] = zfs 2011, 465 mit Anm. Hansens = AGS 2011, 120 mit Anm. Schons). Liegt somit die von dem Rechtsanwalt über den Gebührensatz hinaus bestimmte Geschäftsgebühr noch innerhalb der Toleranzgrenze von 20 %, so ist diese Gebühr gleichwohl dann auf den Regelsatz von 1,3 herabzusetzen, wenn die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war.
Hier hatte der – nach Abtretung in eigener Sache klagende – Rechtsanwalt in der Klageschrift hinreichend dargetan, dass seine anwaltliche Tätigkeit umfangreich war. Dies hat auch der Vorstand der RAK Sachsen in dem vom Gericht eingeholten Gebührengutachten bestätigt. Damit war der Gebüh renrahmen über den Satz von 1,3 hinaus eröffnet. Die ferner überdurchschnittliche Bedeutung der Sache für den Auftraggeber hat dann dazu geführt, dass die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung eines Gebührensatzes von 1,8 als nicht unbillig angesehen wurde.
II. Die maßgeblichen Umstände im Fall des AG Zittau
Das AG Zittau hat sich den Ausführungen der RAK Sachsen in ihrem Gutachten in vollem Umfang angeschlossen. Diese ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich hier um einen überdurchschnittlichen Fall gehandelt hat und deshalb der Ansatz der 1,8 Geschäftsgebühr angemessen sei. Dabei hat das AG sich auch den Ausführungen der RAK zur Bewertung der einzelnen Umstände gem. § 14 Abs. 1 RVG angeschlossen. Deshalb sollen zum besseren Verständnis die von der RAK Sachsen in ihrem Gutachten v. 3.8.2016 aufgeführten Erwägungen wiedergegeben werden.
1. Umfang der anwaltlichen Tätigkeit
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist der zeitliche Arbeitsaufwand, den die mandatsbezogene Bearbeitung für den Rechtsanwalt verursacht hat. Dieser Arbeitsaufwand war nach den vom AG Zittau gebilligten Ausführungen in dem Gutachten der RAK Sachsen überdurchschnittlich. Bereits der Bearbeitungszeitraum, der hier über ein Jahr betragen habe, weise auf den überdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hin. Dabei sei für die Regulierung von Verkehrsunfallschäden ein Zeitraum von drei Monaten üblich, der hier erheblich überstiegen worden sei. Außerdem sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit bereits wegen der Verletzung des Herrn O im Vergleich zu einer reinen Sachschadensregulierung größer gewesen.
2. Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
Als Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist die Intensität der rechtlichen und tatsächlichen Arbeit des Anwalts, losgelöst von ihrem Umfang, zu bewerten. Die Schwierigkeit werde dabei aus der Perspektive des Allgemeinanwalts bemessen, so dass die anwaltliche Tätigkeit unter Umständen auch dann als schwierig einzuordnen sein kann, wenn ein Spezialist in seinem Spezialgebiet tätig geworden sei. Dabei sei ein objektiver Maßstab anzulegen.
Die Unfallregulierung gehöre zu dem üblichen Tätigkeitsfeld eines allgemeinen Anwalts und begründe daher nicht per se eine besondere Schwierigkeit der Angelegenheit. Da hier der Kläger derartiges auch nicht behauptet hatte, ist das AG Zittau mit dem Gutachten des Vorstandes der RAK Sachsen von einer durchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltli...