VV RVG Nr. 2300; RVG § 14
Leitsatz
Die Bestimmung einer 1,8 Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Verkehrsunfallschadensregulierung entspricht billigem Ermessen, wenn bei sonst durchschnittlichen Umständen i.S.v. § 14 Abs. 1 RVG bei einer Bearbeitungszeit von etwa einem Jahr die anwaltliche Tätigkeit umfangreich und die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber überdurchschnittlich waren.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Zittau (Zweigstelle Löbau), Urt. v. 8.9.2016 – 14 C 127/16
Sachverhalt
Am 26.9.2014 fuhr in Z das bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherte Fahrzeug auf den Pkw des Herrn O. auf. Es kam zum Totalschaden am Fahrzeug von Herrn O, der außerdem durch den Unfall eine HWS-Distorsion erlitt.
Am 29.9.2014 beauftragte Herr O Rechtsanwalt M mit der außergerichtlichen Vertretung in der Verkehrsunfallsache. Auftragsgemäß hat Rechtsanwalt M gegen die beklagte Haftpflichtversicherung Ansprüche wegen des Sachschadens und – wegen der Verletzung des Mandanten – einen Verdienstausfallschaden und Schmerzensgeld geltend gemacht. Hierbei hat Rechtsanwalt M Arztberichte ausgewertet, einen Fragebogen der Bundesknappschaft ausgefüllt und mit dem Mandanten mehrere Besprechungen aufgrund der verzögerten Regulierung des Unfallschadens und zur Auswertung der Arztberichte geführt. Aufgrund der Einwände der Bekl. hat der Rechtsanwalt mehrere Rücksprachen mit der von Herrn O beauftragten Werkstatt geführt. Außerdem hat Rechtsanwalt M mit dem Vermieter des Mietwagens korrespondiert und – ebenfalls wegen der Einwände der Bekl. – mit dem Abschleppunternehmen. Schließlich hat der Anwalt auch die polizeiliche Unfallakte ausgewertet. In einem Anspruchsschreiben hat Rechtsanwalt M dann die Ansprüche des Herrn O geltend gemacht. Eine Haftungsquote der Haftpflichtversicherung des Gegners i.H.v.100 % war unstreitig.
Nachdem die beklagte Haftpflichtversicherung eine Restforderung von 264,78 EUR nicht reguliert hatte, hat der Anwalt diese mit Schreiben v. 11.8.2015 zur Zahlung aufgeführt und unter dem 3.9.2015 nochmals erinnert. Nachdem die Angelegenheit dann am 23.9.2015 erledigt war, rechnete Rechtsanwalt M seine Tätigkeit am 15.10.2015 wie folgt ab:
1. |
1,8 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.492,94 EUR) |
637,20 EUR |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
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3. |
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG |
8,00 EUR |
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4. |
Aktenversendungspauschale |
12,00 EUR |
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Zwischensumme |
677,20 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
128,67 EUR |
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Summe |
805,87 EUR |
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Hiervon zahlte die Bekl. einen Teilbetrag in Höhe von 595,23 EUR.
Seinen Anspruch auf Zahlung des Restbetrages hat Herr O an Rechtsanwalt M abgetreten. Dieser hat vor dem AG Zittau den Restbetrag von 210,64 EUR gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung eingeklagt. Das AG Zittau hat nach Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Sachsen der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
2 Aus den Gründen:
" … Die von dem Kl. insofern gestellte Rechnung für die Anwaltskosten v. 15.10.2015 über insg. 805,87 EUR war gerechtfertigt. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten der Rechtsanwaltskammer Sachsen hebt sich die anwaltliche Tätigkeit in dem zu entscheidenden Falls aus dem üblichen Rahmen der sog. Schwellengebühr hervor, da nach den Bestimmungskriterien in zweifacher Hinsicht überdurchschnittliche Anforderungen an die anwaltliche Tätigkeit anzunehmen sind. Das eine ergibt sich aus der anwaltlichen Tätigkeit an sich, die vom Umfang her als überdurchschnittlich anzusehen ist. Zum anderen ergibt sich dies aus der Bedeutung der Angelegenheit für den Zedenten, bei dem man davon auszugehen hat, dass die Angelegenheit für ihn eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hatte. Dem folgt das Gericht aufgrund der entsprechenden Darlegungen des Kl. zu den von ihm durchgeführten unfangreichen Prüfungen der verschiedenartigen potentiellen Ansprüche des Zedenten aus dem streitgegenständlichen Schadensereignis einerseits und andererseits angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation des Zedenten und dem sich daraus ergebenden Stellenwert der Arbeit des Kl. für den Zedenten."
Somit ist die vom Kl. in Ansatz gebrachte 1,8 Geschäftsgebühr als angemessen anzusehen. Bei einem Gegenstandswert bis zu 6.000 EUR (dem entspricht der der Rechnung des Kl. zugrunde gelegte Gegenstandswert von 5.492,94 EUR) beträgt eine Gebühr 354 EUR. Eine 1,8 Gebühr ergibt 637,20 EUR plus der Aktenversendungspauschale des Landkreises G, dem Kl. in Rechnung gestellt i.H.v. 12 EUR, und der Pauschalen für Entgelte für Post und Telekommunikationsdienstleistungen sowie für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten entsprechend VV RVG Nr. 7002 und 7000 von 20 EUR bzw. 8 EUR ergibt sich ein Nettobetrag von 677,20 EUR und inkl. Umsatzsteuer ein Bruttobetrag von 805,87 EUR. Darauf hat die Bekl. 595,23 bezahlt, so dass noch der mit der Klage geltend gemachte Restbetrag von 210,64 EUR zur Zahlung offen steht.
Mit Ablauf der seitens des Kl. in seinem Schreiben v. 27.10.2015 gesetzten Frist, auch den restlichen T...