AKB A.2.3
Leitsatz
Das Überfahren einer für den VN nicht erkennbaren Bodenschwelle stellt keinen Betriebsschaden, sondern einen versicherten Unfall dar.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG München II, Urt. v. 13.1.2017 – 10 O 3458/16
1 Aus den Gründen:
" … Der Vorfall v. 7.11.2015 fällt nicht unter den Ausschluss in Ziff. A.2.3.2 der zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen."
Diese Bedingung lautet:
“Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Nicht als Unfallschäden gelten insb. Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen z.B. Schäden am Fahrzeug durch rutschende Ladung oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund Bedienungsfehler oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs.'
Nach dem Urteil des BGH (NJW 1969, 96) sind Betriebsschäden solche Schäden, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen, ferner Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kfz gehören. Nach den für das Gericht glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des Kl. im Termin v. 23.11.2016 war für ihn die von ihm mit seinem Fahrzeug überfahrene Bodenwelle nicht erkennbar. …
Ausweislich der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen gilt als Unfall ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkende Ereignis. So liegt der Fall hier. Das Überfahren der Bodenwelle stellt ein von außen auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis mit mechanischer Gewalt dar. Aufgrund der Tatsache, dass die Bodenwelle für den Kl. nicht erkennbar war, war dieses Ereignis auch für den Kl. plötzlich i.S.d. Versicherungsbedingungen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von der Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth (Az.: 8 O 7495/15). Im dort entschiedenen Fall hatte das Gericht festgestellt, dass der Kl. zwar ebenfalls eine Bodenwelle überfahren hatte, die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass der Kl. mit seinem Fahrzeug zuvor bereits mehrere vergleichbare Bodenwellen sowie bei der Hinfahrt bereits die gleiche streitgegenständliche Bodenwelle überfahren hatte, so dass das LG Nürnberg-Fürth insoweit nicht mehr von einem Überraschungsmoment ausgegangen ist.
Das Gericht schließt sich vorliegend vielmehr der Rechtsansicht der Entscheidungen des LG Bochum v. 29.6.2012 (Az.: 4 O 477/11) sowie des LG Stuttgart v. 30.3.2015 (Az.: 16 O 34/15) an.
Im Falle des LG Bochum hat das ebenfalls vollkaskoversicherte Fahrzeug einen Schaden durch Überfahren einer sog. Fräskante erlitten. Das LG hat insoweit zutreffend festgestellt, dass der Fahrer eines Fahrzeugs mit einer derartigen Gefahrenquelle nicht rechnen musste und diese im Fall des LG Bochum auch nicht erkennbar war. Auch das LG Stuttgart hat in seiner Entscheidung v. 30.3.2015 die Annahme eines Betriebsschadens ausgeschlossen. Dieser Entscheidung lag ebenfalls das Überfahren einer Bodenschwelle zugrunde, die für den Kl. insoweit nicht erkennbar war.
Das LG Stuttgart hat insofern zutreffend ausgeführt, dass hinsichtlich der Frage der Abgrenzung, ob ein Ereignis als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen sei, die konkrete Verwendung des Fahrzeugs entscheidend sei. Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt sei, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos seien, das in Kauf genommen werde, seien Betriebsschäden.
Im hier zu entscheidenden Fall ist zu berücksichtigen, dass üblicherweise eine derartige Bodenschwelle, soweit sie erkennbar war bzw. erkannt wurde, lediglich mit einer solchen Geschwindigkeit überfahren wird, die keine Schäden am Fahrzeug verursachen würde. Wird die Bodenschwelle jedoch aufgrund der mangelnden Erkennbarkeit so schnell überfahren, dass Schäden entstehen, handelt es sich gerade nicht mehr um Gefahren, denen das Fahrzeug in seiner konkreten Verwendungsart üblicherweise ausgesetzt ist. Zum normalen Betriebsrisiko eines Fahrzeugs gehört es eben nicht, dass dieses mit so hoher Geschwindigkeit über eine Bodenschwelle fährt, dass hierdurch erhebliche Schäden entstehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Schaden auch bei einem langsamen Überfahren der Bodenschwelle, beispielsweise mit Schrittgeschwindigkeit oder geringerer als der zugelassenen Geschwindigkeit von 50 km/h entstanden wäre, wurden weder vorgetragen noch sind derartige Anhaltspunkte ersichtlich. … “
zfs 5/2017, S. 279 - 280