" … 1. Dem Kl. steht der geltend gemachte Anspruch gem. Buchst. A.2.2.2, A.2.5.2.1, A.2.5.4 AKB zu."
a) Dass das Fahrzeug des Kl. durch einen Unfall auf der Fahrt von Ulm nach Berlin in der Nähe von Bayreuth auf der BAB 9 beschädigt worden ist und die Reparaturkosten 17.756,50 EUR brutto betragen, ist unstreitig. Abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung i.H.v. 500 EUR ergibt sich der mit der Klage geltend gemachte Betrag i.H.v. 17.256,50 EUR.
b) Ob der Kl. versicherungsvertragliche Obliegenheiten aus Buchst. E. 1.1.3 AKB verletzt hat, kann dahinstehen, weil einer Leistungsfreiheit der Bekl. jedenfalls die Unwirksamkeit der in Buchst E.2 AKB enthaltenen Sanktionsregelung entgegensteht.
aa) Die genannte Sanktionsklausel weicht entgegen § 32 S. 1 VVG zum Nachteil des VN von der halbzwingenden Vorschrift des § 28 Abs. 4 VVG ab. Anders als es § 28 Abs. 4 VVG vorsieht, fehlt dort nämlich eine Regelung, wonach die Leistungsfreiheit bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit voraussetzt, dass der VR den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat. Die Abweichung führt nach § 32 S. 1 VVG i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Sanktionsregelung, weil sie mit dem in § 28 Abs. 4 VVG enthaltenen wesentlichen Grundgedanken – die Wesentlichkeit ergibt sich aus dem halbzwingenden Charakter des § 28 Abs. 4 VVG – nicht vereinbar ist (BGH NJW 2014, 1813 Rn 21 f.; im Ergebnis ebenso LG Berlin, Urt. v. 22.6.2016 – 23 O 345/15 – und Marlow, r+s 2015, 591, 592 f.). Darauf, ob die Regelung des § 28 Abs. 3 VVG im vorliegenden Fall relevant ist, kommt es nicht an, weil bei der Prüfung der Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine generalisierende Betrachtung anzustellen ist.
bb) Die durch die Unwirksamkeit der Sanktionsregelung entstandene Vertragslücke kann nicht gem. § 306 Abs. 2 BGB i.V.m. § 28 Abs. 2, 3, 4 VVG geschlossen werden, § 28 Abs. 2 VVG setzt, wie insb. der Wortlaut der Vorschrift zeigt (“Bestimmt der Vertrag, dass … '), eine wirksame vertragliche Vereinbarung voraus, aus der sich ergibt, dass der VR bei Verletzung einer vom VN zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist. § 28 VVG enthält – anders als § 81 VVG – kein Leistungskürzungsrecht, sondern beschränkt die bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zulässigen Sanktionen (BT-Drucks 16/3945, S. 68 l. Sp.). Aufgrund der Unwirksamkeit der hier maßgeblichen Sanktionsklausel fehlt es an der erforderlichen vertraglichen Vereinbarung. …
cc) Auch für eine ergänzende Vertragsauslegung ist kein Raum.
(1) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass sie nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt, es dem VR gem. § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden, und der ergänzte Vertrag für den VN typischerweise von Interesse ist. …
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil es der Bekl. nicht unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden:
Ob eine Unzumutbarkeit vorliegt, ist im Wege der Interessenabwägung zu ermitteln. Zu berücksichtigen ist nicht nur die nachteilige Veränderung der Austauschbedingungen für den Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingung, sondern auch das berechtigte Interesse des anderen Teils an der Aufrechterhaltung des Vertrags. Unzumutbar kann das Festhalten am Vertrag dann sein, wenn infolge der Unwirksamkeit einer Klausel das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist. Allerdings genügt nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil des Verwenders, sondern es ist eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses erforderlich. … Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der VR aus der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten keine Sanktionen mehr herleiten kann. Denn das Gesetz bietet dem VR zahlreiche Auffangregelungen, zu denen die Regelungen über die Gefahrerhöhung gem. §§ 23 ff. VVG, die Bestimmungen über die Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 VVG und die Obliegenheiten nach § 82 VVG gehören. Zwar verschiebt sich das Vertragsgleichgewicht ungeachtet dieser Regelungen zu Ungunsten des VR. Sie verhindern aber, dass das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist. …
(2) Ob eine ergänzende Vertragsauslegung auch aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt, kann dahinstehen. … “