Zunächst führte der Gesetzgeber ab dem 1.8.2002 durch das 2. SchadÄndG die Änderung ein, dass die Mehrwertsteuer bei fiktiver Abrechnung vom Schädiger nicht mehr auszugleichen ist. Als Grund für diese Gesetzesänderung wurden die Kfz-Schäden angegeben.
Nach den Vorstellungen der Versicherungswirtschaft sollte die fiktive Abrechnung aber nicht nur bezüglich der Mehrwertsteuer, sondern insgesamt eingeschränkt werden. Diese Forderung wurde von den Vertretern der Versicherungswirtschaft auf dem 38. Verkehrsgerichtstag 2000 ausdrücklich kommuniziert.
Die Forderung nach einer gesetzlichen Einschränkung der fiktiven Abrechnung wurde im Rahmen der Erörterungen zum 2. SchadÄndG dann ernsthaft in Erwägung gezogen und in einen Referentenentwurf aufgenommen, letztlich aber doch nicht umgesetzt, weil erhebliche Gegenargumente vorgebracht wurden. Im Ergebnis wurde eine Einschränkung der fiktiven Abrechnung dann politisch nicht für durchsetzbar gehalten und vom Gesetzgeber verworfen, so dass es bei der Änderung der Mehrwertsteuererstattung blieb.
Neben dieser gesetzlichen Neuregelung ergaben sich aber bis heute weitreichende und gravierende Veränderungen der Rechtslage, die durch die Rechtsprechung des BGH ausgelöst wurden. Der Ausgangspunkt für diese Rechtsprechung war letztlich das Schadenmanagement der Versicherungswirtschaft. Das Schadenmanagement, also die organisierte, an dem Ziel niedriger Schadenaufwendungen ausgerichtete Schadenbearbeitung, wurde Anfang der 1990er Jahre nach der Deregulierung der nationalen Versicherungsmärkte ins Leben gerufen.
Ab 2003 setzte schließlich die Rechtsprechung des BGH ein, die die Rechtslage in den kommenden Jahren und bis heute umwandeln und völlig neu gestalten sollte. Sie wurde in ihrer Vielfalt dadurch ermöglicht, dass die Berufungskammern der Landgerichte seit 2002 die Revision zum BGH auch bei niedrigeren Streitwerten zulassen konnten und davon zur Rechtsfortbildung rege Gebrauch machten.
I. Die Anfänge des Schadenmanagements
Die Versicherer akzeptierten zwar das Recht der Geschädigten auf fiktive Abrechnung, aber sie gingen schon seit Ende der 1980er Jahre in ihrer täglichen Regulierungspraxis häufig dazu über, bei fiktiver Abrechnung die Stundenverrechnungssätze zu kürzen. Sie regulierten dann nicht die Stundenlöhne von markengebundenen Fachwerkstätten, sondern vertraten die Ansicht, dass die erforderlichen Reparaturkosten nach § 249 BGB nur abstrakt auf Basis der mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze zu ermitteln seien. Im Rahmen des organisierten Schadenmanagements wurden zur Umsetzung entsprechend ausgebildete sachverständige Mitarbeiter eingestellt, spezielle Abteilungen geschaffen, eigene Sachverständigenorganisationen gegründet oder auf bestehende Einfluss genommen, so dass deren Gutachter bei der Pkw-Besichtigung von vornherein mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen kalkulierten. Daneben kürzten einige Versicherer in den 80er Jahren hin und wieder auch die Mehrwertsteuer und es wurde die Meinung vertreten, dass die fiktive Abrechnung den Betrug begünstige.
Die Kürzung der Stundenverrechnungssätze wurde Ende der 90er Jahre von der überwiegenden Rechtsprechung für rechtswidrig gehalten, denn als erforderliche Reparaturkosten nach § 249 S. 2 BGB a.F. wurden nicht die mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze, sondern nur die Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten angesehen. Angesichts der Divergenzen zwischen der Regulierungspraxis vieler Versicherer und der herrschenden Meinung innerhalb der Rechtsprechung war es eine Frage der Zeit, wann auch der BGH Gelegenheit zu einer Stellungnahme bekommen würde.